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07. Januar 2011


HiROS – Der Traum der Aufklärer

von Otfried Nassauer


Die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Bundesnachrichtendienst (BND) und die Satellitenschmieden OHB und Astrium planen den Bau neuer Satelliten. Aus rund 500 Kilometern Höhe sollen sie Gegenstände auf dem Erdboden erkennen, die nur 50 Zentimeter groß sind. HiROS, optischer Satellit hoher Auflösung, so heißt das Projekt, das die norwegische Zeitung Aftenposten in den Wikileaks-Dokumenten entdeckte.

Geheim ist das Vorhaben aber nicht. Ein Aufklärungssatellit sei es auch nicht, so die DLR. Es könne allerdings auch „für staatliche Nutzungsbereiche“ eingesetzt werden. Das umschreibt höflich, dass der BND das Projekt fördert. Der Geheimdienst werde voraussichtlich nur „30 Prozent“ der Kapazität nutzen, der Rest sei für kommerzielle und wissenschaftliche Nutzungen verfügbar. Deswegen solle es als ziviles Vorhaben geführt werden. Dem BND genüge es, aus dem Hintergrund festlegen zu können, was zuerst ausgespäht werde.

Das liegt wohl auch an den technischen Fähigkeiten. Schon ein HiROS-System mit nur drei Satelliten kann jeden Punkt der Erde täglich photographieren - bei Tageslicht und bei Nacht. Zudem aus mehreren Winkeln, sodass dreidimensionale Auswertungsbilder möglich sind. Diese werden noch aussagekräftiger, wenn man sie mit den Bildern von Radarsensoren „fusioniert“, wie sie an Bord der SAR-Lupe-Satelliten des BND oder dem zivilen Satelliten Terra X zum Einsatz kommen. Die Verfügbarkeit der zunächst am Boden, künftig aber auch an Bord der Satelliten erstellten Bildauswertung für den Endnutzer werde immer besser. 2009 sei sie binnen sechs Monaten von 60 auf 30 Minuten halbiert worden und in wenigen Jahren sei eine Verfügbarkeit „in Realzeit“ oder gar „in Millisekunden“ realisierbar.

Diese technischen Fähigkeiten ließen auch die U.S.-Diplomaten aufhorchen, bei denen die Deutschen um Kooperation warben. Deutschland habe in nur drei Jahren „erfolgreich eine beeindruckende Phalanx von weltraumgestützten Radar- und Multispektralsensoren“ zu Einsatz gebracht, die nun um optische ergänzt werden solle. Das könne dazu führen, dass „Deutschland letztlich den Weltmarkt für kommerziell verfügbare Erdbeobachtungsdaten auf optischer und Radarbasis dominieren könnte.“

Weniger begeistert ist das Verteidigungsministerium. Es hat für ein solches zusätzliches System keinen Bedarf. Zudem arbeitet es zusammen mit Frankreich schon an einen künftigen Satellitenprojekt namens MUSIS. Das will es nicht gefährden und zudem das Nachbarland nicht vergrätzen.

Noch ist das HiROS-Projekt jedoch ein ungelegtes Ei. Es fehlt das Geld, der Finanzier. Und ohne einen solchen wird HiROS nicht abheben. Vorerst jedenfalls nicht.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS