Susanne Härpfer
Im Gegensatz zu gps solle Galileo rein zivil genutzt werden, hieß es in der Anfangsphase. Das mag daran liegen, dass es keine Zustimmung des Ministerrats für Galileo gegeben hätte, wäre gesagt worden, dass ein spezieller militärischer Code entwickelt werden solle, so die Einschätzung von Heinz Hilbrecht, dem Direktor der Europäischen Kommission für Landverkehr. Kaum ist die Zustimmung für Galileo gefallen, werden die Stimmen lauter, die sich für eine militärische Nutzung der Satelliten aussprechen. Dazu gehören Sigmar Wittig, Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und der SPD Europaparlamentarier Ulrich Stockmann. Seiner Meinung nach garantiere Galileo die sicherheitspolitische Unabhängigkeit. Militärs liebäugeln zwar mit Galileo, äußern dies aber nur selten öffentlich sie fürchten die Kosten. Denn im Gegensatz zum kostenlosen gps-Service für jedermann, soll Galileo für spezielle Anwender wie pay-TV funktionieren. Aber ob militärische oder rein zivile Nutzung, jede Satellitentechnik ist störbar, auch Galileo. Das ist simple Physik, wurde nur bislang meist verschwiegen. In der öffentlichen Debatte wurde suggeriert, ein ziviles System garantiere, nicht gestört zu werden. Dabei hatte der Pentagon-Beamte Sal Manno im Jahr 2002 deutlich gemacht, dass die Militärs im Kriegs- oder Konfliktfall gerade zivile Satellitendienste stören werden. Das gelte auch für Galileo. Schließlich reicht die Genauigkeit eines zivilen Systems für Angriffe aus. Für die Techniker des Instituts für Erdmessung und Navigation der Universität der Bundeswehr war das unstrittig. Sie forderten bereits im Jahr 2000, dass zivile Systeme störbar sein müssen. Direktor des Instituts ist Prof. Dr. Günter Hein. Als Unterhändler mit den USA sollte er eigentlich für die Europäer genau das Gegenteil erreichen. Aber unter seiner Leitung lenkten die Europäer ein. Allerdings schlugen sie den Amerikanern zunächst vor, im Kriegsfall könne ja ein US-General zusammen mit EU-Repräsentanten entscheiden, ob Galileo ausgebremst werden müsse. Doch Washington lehnt jede europäische Mitsprache kategorisch ab. Zwar soll es zukünftig ein Krisenzentrum geben, das 24 Stunden besetzt ist. Aber auch dies müsse es wohl hinnehmen, wenn im Kriegs- oder Krisenfall ein militärischer Kommandeur vor Ort entscheide, die Galileo Signale zu stören, räumt Heinz Hilbrecht gegenüber "Streitkräfte und Strategien" ein. Hilbrecht leitet das Europäische Team, das mit den Amerikanern verhandelt. Gegenüber dem NDR gesteht er ein, dass man noch vor 1 ½ Jahren geglaubt habe, dass in einem solchen Krisenzentrum der jeweilige Kommandeur und ein Galileo Repräsentant gemeinsam entscheiden würden. "Dies ist nicht mehr der Fall", so Hilbrecht wörtlich. Das liegt auch daran, dass die Europäer in diesem Jahr in einem weiteren Punkt zurück gerudert sind. Ursprünglich wollten die Europäer im selben Frequenzbereich senden, in dem die Amerikaner das verschlüsselte Signal für das Militär betrieben. Daraufhin verlangte der stellvertretende US-Verteidigungsminister, Paul Wolfowitz, Europa möge bei Galileo für die Verschlüsselung militärischer Navigations- und Ortungsdaten andere Frequenzen nutzen als die USA dies bei gps tun. "Streitkräfte und Strategien" berichtete damals (2001) über die Begründung der Amerikaner. Das Argument aus Washington: Es könne nicht angehen, dass, wenn das Europäische System in seiner Funktion gestört werden müsse, das US-System gleich mit gestört werde. Genau dies aber sollte für die Europäer die Garantie der Unabhängigkeit sein. Davon ist nichts übrig geblieben. Im April dieses Jahres machten die Europäer einen ersten Rückzieher. Die Untergruppe des sogenannten Galileo Security Boards, die sich mit der Signaltechnik beschäftigt, machte Zugeständnisse und legte Galileo-Signale auf andere Frequenzbereiche. Ganz wie von den Amerikanern gewünscht. Im Gespräch gibt Heinz Hilbrecht zu, dass damit zu rechnen sei, dass auch Galileo-Signale gestört werden, wenn es die Situation erfordert. "Das", so Hilbrecht, "ist unstrittig. Es wäre nur zu verhindern gewesen, dass dies ohne unsere Einwilligung geschieht, wenn wir dieselben Frequenz-Modulationen genutzt hätten. Wir glaubten damals, die USA davon überzeugen zu können. Heute gibt es zwar noch kein endgültiges Verhandlungsergebnis, aber es erscheint unrealistisch, die alte Position durchzusetzen", so Hilbrecht. Damit ist aber von dem Hauptargument für die Einführung von Galileo nichts übrig geblieben. Eine sicherheitspolitische Unabhängigkeit von den USA wird es durch Galileo nicht geben. Was also bleibt? Hilbrecht sagt, dass für Galileo gesprochen habe, dass es sich um einen Wachstumsmarkt der Industrie handle. Fragen der Wirtschaftlichkeit hätten zu Beginn im Vordergrund gestanden, Sicherheitsfragen seien erst danach angesprochen worden. Industrievertreter erhoffen sich ein Riesengeschäft. Amerikanische Firmen überlegen sich bereits, in Zukunft ebenfalls für gps- Angebote Gebühren zu verlangen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Probleme mit Absicht ausgeklammert wurden, um das Projekt Galileo nicht zu gefährden. Angesichts der hohen Kosten stand es lange auf der Kippe. Bernd Eisfeller von der Münchner Universität der Bundeswehr glaubt, die Störbarkeit von Galileo sei lange nicht thematisiert worden, weil die Gründungsväter hauptsächlich aus der Kommunikationsbranche und der Raumfahrtbehörde ESA stammten. Sie hätten sich solche Fragen einfach nicht gestellt. Doch das ist falsch. Eine Studie der Bundeswehrhochschule über die wirtschaftsstrategische und sicherheitspolitische Bedeutung des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo, kam bereits im Jahr 2000 zu dem Schluss, "trotz aller wirtschaftlichen Konkurrenz wird der Satellitennavigationsmarkt der Zukunft nur kooperativ gestaltbar sein." Weniger diplomatisch heißt dies: Der US-Einfluß ist unausweichlich, von der proklamierten sicherheitspolitischen Unabhängigkeit der Europäer ist nichts geblieben. Und zivile Anwender bezahlen mit ihren Steuergeldern dafür, dass ein System entwickelt wird, das es mit gps bereits kostenlos gibt, für das sie aber in Zukunft bezahlen müssen. Susanne Härpfer ist freie Fernseh-Journalistin.
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