Tagesspiegel


Ein ambitioniertes Ziel: Die Nuklearwaffenkonvention


Ungewohnt deutlich hat sich die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) heute zur Zukunft der nuklearen Abrüstung geäußert. Der Tagesspiegel sprach mit Dr. Wolfgang Liebert, einem der Mitautoren der DPG-Stellungnahme:


Tagesspiegel: Herr Liebert, auf welche Kernaussage hat sich die DGP in ihrer Resolution geeinigt?

Liebert: Im Zentrum steht ein ambitioniertes Ziel: Wir regen an, dass während der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages im Mai internationale Verhandlungen angestoßen werden, die eine Nuklearwaffenkonvention zum Ziel haben. Also einen Vertrag über völkerrechtliche Ächtung und ein überprüfbares Verbot nuklearer Waffen. Dieses Verhandlungsergebnis sollte binnen 10 Jahren, also bis zum Jahr 2020 erreicht werden.


Was hat die DPG zu einem so weitgehenden Vorschlag ermutigt?

Liebert: Barack Obama hat vor einem Jahr in Prag die Vision einer nuklearwaffenfreien Welt wiederbelebt. Die anderen Nuklearmächte haben diesem Ziel in einer Resolution des UN-Sicherheitsrates zugestimmt. Dafür verdient Obama Unterstützung. Physiker haben wesentlich zur Entwicklung atomarer Waffen beigetragen. Sie sollten auch wesentlich dazu beitragen, Obamas Vision Wirklichkeit werden zu lassen.


Obama geht aber davon aus, dass sein großes Ziel möglicherweise nicht mehr zu seinen Lebzeiten erreicht werden kann.

Liebert: Sicher braucht das Zeit. Auch wir benennen deshalb erste hilfreiche Schritte, die bedeutsam sein könnten: Den Verzicht auf den Ersteinsatz atomarer Waffen, einen Verzicht auf deren technische Weiterentwicklung und – was Europa betrifft - den Abzug der letzten verbliebenen taktischen Nuklearwaffen.


Barack Obama wird heute abend sein Konzepte für die künftige Nuklearpolitik der USA vorstellen und hat in einem Interview erste Elemente dargelegt – Ihr Kommentar?

Liebert: Der US-Präsident versucht, die Rolle nuklearer Waffen bei der Abschreckung deutlich zu verringern und erweitert die sogenannten negativen Sicherheitsgarantien für Staaten, die keine Nuklearwaffen besitzen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber ein zu kleiner und zu vorsichtiger Schritt.


In ihrer Resolution warnt die DPG davor, die Gefahr regionaler Atomwaffeneinsätze wachse und ebenso das Risiko, dass Terroristen an waffenfähiges Material gelangen könnten.

Liebert: Wenn immer mehr Staaten über Nuklearwaffen verfügen, wächst logischerweise das Risiko dass erstmals nach Hiroshima und Nagasaki wieder solche Waffen zum Einsatz kommen. Terroristen und vor allem Selbstmordattentäter kann man nicht abschrecken, auch nicht mit atomaren Waffen. Wer solche Risiken ausschalten will, kann nur zu dem Schluss kommen, dass ein völkerrechtliches Verbot solcher Waffen den größten Schutz darstellt, übrigens auch gegen deren weitere Verbreitung. Alles andere wäre zu kurz gegriffen.

Das Interview für den Tagesspiegel führte Otfried Nassauer


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS