Analyse
Oktober 2005


Primat des Gewissens

Gastbeitrag von Jürgen Rose

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig rüffelt die rot-grüne Bundesregierung wegen der Unterstützung des Irak-Krieges. Und bricht eine Lanze für den gewissenhaften »Staatsbürger in Uniform«.

Hinweis:
Das in dieser Analyse behandelte Urteil finden Sie als PDF-Datei hier:
Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 BVerwG 2 WD 12.04

Soweit bekannt, handelt es sich bei dem Bundeswehrmajor Florian Pfaff um den einzigen Soldaten in den gesamten deutschen Streitkräften, der den Mut aufgebracht hat, sich Befehlen zu widersetzen, durch deren Ausführung er sich wissentlich an dem von den USA und Großbritannien angezettelten Angriffskrieg gegen den Irak – der renommierte Rechtsphilosoph Reinhard Merkel hatte diesen als "völkerrechtliches Verbrechen"[1] gebrandmarkt –, beteiligt hätte. Mit einer durchaus spektakulär zu nennenden Urteilsbegründung sprach ihn im Sommer dieses Jahres der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig von dem schwerwiegenden Vorwurf der Gehorsamsverweigerung frei. Kernsätze der nun vorliegenden ausführlichen Urteilsbegründung lauten:

  • Der Soldat musste nicht damit rechnen, dass die an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und damit auch an das geltende Völkerrecht gebundene Regierung der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit einem Krieg, gegen den gravierende völkerrechtliche Bedenken bestehen, militärische Unterstützungsleistungen zugunsten der USA und ihrer Verbündeten beschließen und erbringen würde und dass in diesem Kontext des Irak-Krieges die nicht auszuschließende Möglichkeit bestand, dass er mit seiner konkreten dienstlichen Tätigkeit in solche Unterstützungshandlungen verstrickt würde.[2]
  • Auf dieser Grundlage formulierte der Soldat für sich die Schlussfolgerung, er sei ‚nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch verpflichtet, nach Kräften passiv und aktiv für die Wiederherstellung des Rechts und eine Beendigung der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der mörderischen Besetzung des Irak durch die USA (und andere) einzutreten‘. Der daraus resultierende Gewissenskonflikt ist in sich schlüssig und damit nachvollziehbar.[3]
  • Aufgrund des Ergebnisses der Berufungshauptverhandlung steht zur vollen Überzeugung des Senats des Weiteren fest, dass die vom Soldaten geltend gemachte Gewissensentscheidung an den Kategorien von "Gut" und "Böse" orientiert und von der erforderlichen Ernsthaftigkeit, Tiefe und Unabdingbarkeit des für ihn ethisch Gebotenen geprägt war, so dass er dagegen nicht ohne ernste Gewissensnot handeln konnte.[4]
  • Der Soldat hat hier die ihm erteilten beiden Befehle nicht ausgeführt, die er aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht auszuführen brauchte, weil er aufgrund der Schutzwirkung des Grundrechts der Freiheit des Gewissens (Art. 4 Abs. 1 GG) einen Anspruch darauf hatte, dass ihm durch seine zuständigen Vorgesetzten eine gewissenschonende Handlungsalternative zur Verfügung gestellt wird. Da er berechtigt war, gegenüber den konkret in Rede stehenden beiden Befehlen den Gehorsam zu verweigern, konnte er insoweit auch nicht die Pflicht zur gewissenhaften Dienstleistung verletzen.[5]
  • Sein Verhalten lässt im Übrigen keinerlei Rückschlüsse auf ein mangelhaftes und unzureichendes Pflichtenverständnis oder auf eine fehlende Gesetzes- und Rechtstreue zu.[6]

Was aber bildete den Anlass für Pfaffs Husarenritt durch alle Instanzen der Wehrgerichtsbarkeit? Entscheidend war der Beschluss der Bundesregierung, die Protagonisten des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen den Irak getreu Gerhard Schröders Parole von der »Enttabuisierung des Militärischen« bei der Ausführung ihres Unrechtsaktes tatkräftig zu unterstützen – notabene nachdem Washington ordnungsgemäß in Berlin angefragt hatte.[7] Zwar übte sie sich danach öffentlich in Radikalkritik am US-Verbündeten und weigerte sich zugleich ostentativ, eigene Soldaten zu entsenden, um den irakischen Diktator von seinem Sockel in Bagdad zu stürzen. Nach denen hatte der imperiale Kriegsherr im Oval Office indes gar nicht gefragt. Vielmehr war es ihm um viel weniger spektakuläre, wohl aber umso essentiellere Hilfe zu tun. Denn ohne die offizielle Genehmigung aus Berlin für die Streitkräfte der Kriegskoalition, den deutschen Luftraum für Transport- und Bombenflüge zu durchqueren, die bundesrepublikanischen Verkehrswege zu Lande und zu Wasser zu befahren, die vielfältige Kommunikationsinfrastruktur hierzulande zu nutzen sowie in den militärischen Hauptquartieren und sonstigen Führungseinrichtungen von Deutschland aus den Angriffskrieg zu planen und zu leiten, wären die unrechtmäßigen Machenschaften des Duos Bush und Blair wesentlich erschwert und behindert worden. Gerade an der so oft kritisierten Türkei war es, schulmäßig vorzuexerzieren, wie man auch im restlichen Europa hätte verfahren müssen: nämlich der US-Militärmaschinerie die Nutzung des heimischen Territoriums für die völkerrechtswidrige Aggression zu verweigern. So aber wurde der deutschen Öffentlichkeit suggeriert, Berlin hielte sich strikt an völkerrechtliche Prinzipien und das eigene Grundgesetz, während tatsächlich das genaue Gegenteil der Fall war. Mehr noch: der Bundeswehr wurde befohlen, vor den hiesigen Kasernen der Aggressoren Wache zu schieben und so zum Handlanger des Völkerrechtsverbrechens zu mutieren.

Einer derartigen Politik der Scheinheiligkeit ließ sich Bundeswehrmajor Pfaff nicht dienstbar machen. Seinen Vorgesetzten erklärte er klipp und klar, er werde keinerlei Befehlen nachkommen, durch deren Ausführung er sich der Mitwirkung an der "mörderischen Besetzung des Irak durch die USA (und andere)" [8]schuldig machen würde. Postwendend begannen daraufhin die Mühlen der Militärbürokratie zu mahlen: Von seinen Vorgesetzten wurden Pfaff Konsequenzen angedroht. Vom militärischen Rechtsberater wurde er einer "abwegigen Rechtsauffassung" [9]bezichtigt und als zukünftiger "Held der Friedensbewegung" [10]verspottet (derselbe Advokat gab freilich später während der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu Protokoll, ihm hätte die fachliche Kompetenz in völkerrechtlichen Fragen gefehlt![11]). Der Truppenarzt, bei dem Pfaff sich vorgestellt hatte, um sich bestätigen zu lassen, dass seine Perzeption und Bewertung des Irak-Krieges keiner übertriebenen Wahrnehmung entsprangen, ließ ihn umgehend zur stationären psychiatrischen Untersuchung in das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz verbringen. Gleichwohl erbrachten die einwöchigen, für ihn höchst unverständlichen medizinischen Untersuchungen, die er in der "Klapsmühle"[12] über sich ergehen lassen musste, keinen pathologischen Befund. Daraufhin wurde gegen Pfaff im April 2003 ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet, in dem er durch die 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord eines Dienstvergehens[13] für schuldig befunden wurde. Überraschenderweise sahen die Richter jedoch von einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis ab und degradierten den Soldaten lediglich vom Major zum Hauptmann, da sie ihm ehrenhafte Motive[14] bei seiner Gehorsamsverweigerung zugebilligten.

Gegen diese erstinstanzliche Entscheidung legten sowohl Anklage als auch Verteidigung Berufung beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Letztere, um einen Freispruch zu erreichen, der Wehrdisziplinaranwalt, weil er aufgrund "völliger Uneinsichtigkeit"[15] Pfaffs dessen Rausschmiss aus der Truppe erreichen wollte. Dieses Ansinnen scheiterte indes kläglich, denn am 21. Juni 2005 hob der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts das Urteil der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Nord auf, wies die Berufung des Wehrdisziplinaranwalts als unbegründet zurück und sprach den Major Florian Pfaff frei – die Kosten das Verfahrens trägt der Bund. Mit ihrem Leipziger Urteilsspruch in der Causa Pfaff ist es den Bundesverwaltungsrichtern unbestreitbar gelungen, einen Meilenstein zu setzen, was die Sicherung demokratischer Grundrechte für den Staatsbürger in Uniform angeht, der sich in seinem täglichen Dienst einem strikt hierarchisch strukturierten militärischen Zwangs-, Disziplin- und Gewaltsystem zu unterwerfen hat.

Aus der Analyse der umfangreichen schriftlichen Urteilsbegründung ragen vier Themenfelder hervor, denen sich die Richter sehr intensiv befassen. Zum einen wenden sie sich der strittigen Frage zu, was gemäß Grundgesetz unter dem Terminus «Verteidigung» zu verstehen ist. Des weiteren nehmen sie eine völkerrechtliche Beurteilung des Irak-Krieges sowie der hierfür erbrachten Unterstützungsleistungen durch die Bundesrepublik Deutschland vor. Auch legt das Gericht umfassend die Grenzen der im Soldatengesetz niedergelegten Gehorsamspflicht dar und begründet deren Verhältnis zur grundgesetzlich verbrieften Gewissensfreiheit. Und schließlich legt es die prozeduralen Kriterien fest, nach denen im Sinne der »Inneren Führung« generell in Fällen zu verfahren ist, in welchen Soldaten in Gewissenskonflikte geraten sind und sich deshalb weigern, bestimmte Befehle auszuführen.

Kaum Beachtung unter den Analysten des vorliegenden Urteils fand bislang, dass das Bundesverwaltungsgericht dort eindeutig, umfassend und zugleich erschöpfend klarstellt, wie der Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes nach Art. 87a zu verstehen ist. Hierdurch füllt es eine Interpretationslücke, die das Bundesverfassungsgericht in seinem epochalen Urteil vom 12. Juli 1994 betreffend den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit[16] ausdrücklich offen gelassen hatte. Damals hatten die Verfassungsrichter festgestellt: "Art. 87a GG steht der Anwendung des Art. 24 Abs. 2 GG als verfassungsrechtliche Grundlage für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nicht entgegen. Nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG stellt der Bund ‚Streitkräfte zur Verteidigung’ auf; nach Art. 87a Abs. 2 GG dürfen diese Streitkräfte ‚außer zur Verteidigung’ nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Die mannigfachen Meinungsverschiedenheiten darüber, wie in diesem Zusammenhang die Begriffe der ‚Verteidigung’ und des ‚Einsatzes’ auszulegen sind, und ob Art. 87a Abs. 2 GG als eine Vorschrift zu verstehen ist, die nur den Einsatz der Streitkräfte ‚nach innen’ regeln will, bedürfen in den vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Denn wie immer dies zu beantworten sein mag, jedenfalls wird durch Art. 87a GG der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit, dem die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 24 Abs. 2 GG beigetreten ist, nicht ausgeschlossen."[17]

 

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig folgt dieser verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidung, indem es konstatiert: "Die primäre Aufgabe der Bundeswehr ergibt sich dabei aus Art. 87a Abs. 1 GG, wonach der Bund Streitkräfte ‚zur Verteidigung’ aufstellt."[18] Nach Auffassung der Richter ist damit zum einen der "Verteidigungsfall" nach Art. 115a GG gemeint, i. e. eine Situation, in der das "Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht". Der entscheidende Passus hinsichtlich der Reichweite des Verteidigungsbegriffs im Grundgesetz folgt unmittelbar: "Da der Normtext des Art. 87a Abs. 1 und 2 GG von ‚Verteidigung’, jedoch - anders als die zunächst vorgeschlagene Fassung - nicht von ‚Landesverteidigung’ spricht und da zudem der verfassungsändernde Gesetzgeber bei Verabschiedung der Regelung im Jahre 1968 auch einen Einsatz im Rahmen eines NATO-Bündnisfalles als verfassungsrechtlich zulässig ansah, ist davon auszugehen, dass ‚Verteidigung’ alles das umfassen soll, was nach dem geltenden Völkerrecht zum Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta), der die Bundesrepublik Deutschland wirksam beigetreten ist, zu rechnen ist[19]." Höchstrichterlich widerlegt ist hiermit die in der sicherheitspolitischen Diskussion häufig vorgetragene Auffassung, das Grundgesetz begrenze den Einsatz der Bundeswehr auf die Verteidigung des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland sowie des NATO-Vertragsgebiets. Stattdessen definieren die Bundesverwaltungsrichter einen weiten Verteidigungsbegriff, der alles umfasst, was die UN-Charta erlaubt, zugleich beschränken sie jenen aber eben auch strikt auf deren Bestimmungen. Denn, so die Richter, "Art. 51 UN-Charta gewährleistet und begrenzt in diesem Artikel für jeden Staat das - auch völkergewohnheitsrechtlich allgemein anerkannte - Recht zur ‚individuellen’ und zur ‚kollektiven Selbstverteidigung’ gegen einen ‚bewaffneten Angriff’, wobei das Recht zur ‚kollektiven Selbstverteidigung’ den Einsatz von militärischer Gewalt - über den Verteidigungsbegriff des Art. 115a GG hinausgehend - auch im Wege einer erbetenen Nothilfe zugunsten eines von einem Dritten angegriffenen Staates zulässt (z. B. ‚Bündnisfall’). Der Einsatz der Bundeswehr ‚zur Verteidigung’ ist mithin stets nur als Abwehr gegen einen ‚militärischen Angriff’ (‚armed attack’ nach Art. 51 UN-Charta) erlaubt, jedoch nicht zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer oder politischer Interessen."[20] Vollständigkeitshalber verweist das Bundesverwaltungsgericht darüber hinaus auf die Zulässigkeit des Streitkräfteeinsatzes auf Grundlage von Art. 87a Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 GG, von Art. 35 Abs. 2 und 3 GG sowie von Art. 24 Abs. 2 GG.[21]

Von Beobachtern mit einer gewissen Spannung erwartet worden war die völkerrechtliche Beurteilung des Irak-Kriegs durch die Bundesverwaltungsrichter. Wer diesbezüglich gehofft hatte, das Bundesverwaltungsgericht würde den Irak-Krieg eindeutig als völkerrechts- und verfassungswidrig brandmarken und dem Soldaten Pfaff bescheinigen, er wäre zur Gehorsamsverweigerung gemäß Soldatengesetz (§ 11)[22] und Wehrstrafgesetz (§ 5)[23] verpflichtet gewesen, mag enttäuscht sein. Dazu besteht indes kein Anlass. Denn mit einer solchen Entscheidung hätte das Gericht lediglich die bestehende Rechtslage bestätigt und den Handlungsspielraum von Soldaten zur Gehorsamsverweigerung einzig auf die Fälle eingeschränkt, wo die Völkerrechtswidrigkeit eines Krieges für jedermann eindeutig erkennbar und unumstritten wäre.

Mit der nun getroffenen Entscheidung aber erweitern die Richter den Ermessensspielraum diesbezüglich erheblich, nämlich bereits auf all die Fälle, wo auch nur Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer militärischen Intervention bestehen.[24] Wenn in einem solchen Fall ein Soldat in einen Gewissenskonflikt gerät und diesen ernsthaft und glaubwürdig darlegen kann, braucht er Befehlen nicht zu gehorchen, durch deren Ausführung er in jene Aktionen innerhalb rechtlicher Grauzonen verwickelt würde. Mit dieser Rechtsprechung nimmt das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Legalität bewaffneter Einsätze der Bundeswehr de facto eine Beweislastumkehr vor: Nicht der Soldat muss –gegebenenfalls in einem Gerichtsverfahren – beweisen, dass seine Gehorsamsverweigerung rechtlich geboten war, sondern zuallererst muss die Bundesregierung den von ihr in den Kampf entsandten "Staatsbürgern in Uniform" darlegen, dass der diesen erteilte Auftrag den Normen des Völkerrechts und der Verfassung entspricht. Konkludent postulieren die Richter in diesem Kontext: "Notwendig ist in einem solchen Konfliktfall eine möglichst vollständige Information des Soldaten über die konflikt-relevanten Tatsachen, vor allem die vom Soldaten befürchteten tatsächlichen Auswirkungen der befohlenen Dienstleistung sowie die Konsequenzen einer Nichtausführung des Befehls für die Streitkräfte oder sonstige Schutzgüter. Dazu gehört ferner insbesondere auch eine möglichst objektive Unterrichtung aller Beteiligten über die maßgebliche Rechtslage. Diese Unterrichtung muss sich - grundrechtskonform - daran orientieren, wie ein gegebenenfalls mit der Frage befasstes rechtsstaatliches Gericht die Sache voraussichtlich beurteilen würde."[25]

Die rechtlichen Hürden für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte legt das Gericht sehr hoch, indem es nämlich die Zulässigkeit militärischer Gewaltanwendung strikt auf die in der UN-Charta vorgesehenen Fälle (Kap. VII und Art. 51) begrenzt: "Ein Staat, der sich – aus welchen Gründen auch immer – ohne einen solchen Rechtfertigungsgrund über das völkerrechtliche Gewaltverbot der UN-Charta hinwegsetzt und zur militärischen Gewalt greift, handelt völkerrechtswidrig. Er begeht eine militärische Aggression."[26] Und, so das Gericht weiter im Hinblick auf die deutschen Unterstützungsleistungen für das angloamerikanische Völkerrechtsverbrechen am Golf: "Eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein völkerrechtliches Delikt."[27] Gerade im Hinblick auf die in ständiger Einsatzbereitschaft gehaltenen Interventionsstreitkräfte der NATO (NATO Response Force – NRF) und Europäischen Union (EU Battle Group), die erklärtermaßen gegebenenfalls auch ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates innerhalb weniger Tage weltweit zum Einsatz kommen sollen, dürfte dies für die Zukunft interessante Implikationen aufwerfen, wenn nämlich Angehörige dieser Truppenverbände in einem solchen Fall ihr Gewissen entdecken.

Darüber hinaus legen die Bundesverwaltungsrichter konzis die Bestimmungen des V. Haager Abkommen von 1907 dar[28], wo die Pflicht eines nicht an einem bewaffneten Konflikt zwischen anderen Staaten beteiligten Staates zur Neutralität kodifiziert ist. Das in der Debatte um den Irak-Krieg kaum je erwähnte völkerrechtliche Abkommen, welches allerdings bereits 1992 Eingang in die vom Bundesministerium der Verteidigung erlassene Zentrale Dienstvorschrift 15/2 gefunden hatte, birgt Implikationen, die im Rückblick auf die Geschehnisse des Jahres 2003 nachgerade atemberaubend erscheinen:

  • Die Bundesrepublik Deutschland hätte sich allenfalls auf der Seite des Opfers – also des Iraks – an dem militärischen Konflikt beteiligen dürfen, keinesfalls an der Seite des Aggressors USA.[29]
  • Da sie dies nicht getan hat, war sie zur Neutralität verpflichtet und durfte auf ihrem Territorium keine der Konfliktparteien unterstützen.[30]
  • Verboten war deshalb die Nutzung deutschen Territoriums (inklusive des Luftraums darüber) für Truppen- und Versorgungstransporte jeder Art sowie die Nutzung jeglicher auf deutschem Boden befindlichen Kommunikations- und Führungsinfrastruktur durch die kriegführenden Streitkräfte.[31]
  • Die Bundesrepublik Deutschland wäre verpflichtet gewesen, aktiv gegen jede Neutralitätsverletzung tätig zu werden, um diese zurückzuweisen – notfalls mit Gewalt.[32]
  • Die amerikanischen und britischen Streitkräfte, die sich in Deutschland befanden, hätten daran gehindert werden müssen, an den Kampfhandlungen im Irak teilzunehmen; nach Beginn des Krieges hätten sie interniert werden müssen.[33]
  • Aus dem Irak-Krieg zurückkehrende Soldaten der Verbündeten, die sich aktiv an Kampfhandlungen beteiligt hatten, hätten verhaftet werden müssen.[34]

 

Aus ihrer Analyse der Völkerrechtslage leiten die Leipziger Richter "gravierende völkerrechtliche Bedenken" sowohl gegen den Irak-Krieg selbst als auch gegen die hierfür erbrachten Unterstützungsleistungen durch die Bundesrepublik Deutschland ab.[35]

Aufgrund dieser Sachlage einerseits, den im Urteil umfassend und grundsätzlich dargelegten Grenzen des Gehorsams[36] andererseits, war es dem Gericht möglich, die ernsthafte Gewissensnot des Majors Pfaff nachzuvollziehen und vorbehaltlos anzuerkennen[37]. Denn eine – im vorliegenden Fall die entscheidende – Einschränkung der soldatischen Gehorsamspflicht liegt darin, dass ein militärischer Befehl für einen Untergebenen unverbindlich ist und daher von ihm nicht befolgt zu werden braucht, "wenn ihm die Ausführung nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände nicht zugemutet werden kann."[38] Für den Soldaten Pfaff aber war es unzumutbar, die ihm erteilten Befehle auszuführen, weil für ihn hieraus die ernsthafte Möglichkeit entsprang, einen kausalen Beitrag zur Unterstützung und Förderung des Krieges der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak – gegen den gravierende völkerrechtliche Bedenken bestanden – zu leisten. Durch die potentielle Verstrickung in den seiner Auffassung nach völkerrechts- und verfassungswidrigen Angriffskrieg geriet Pfaff in einen ernsten Gewissenskonflikt. Weil indes in solchen Konfliktsituationen die nach Art. 4, 1 Grundgesetz garantierte Gewissensfreiheit[39] absoluten Vorrang – auch vor der Funktionstüchtigkeit und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr – hat, durfte er den Gehorsam verweigern, denn wie die Richter in aller Schärfe konstatieren: "Das Grundgesetz normiert ... eine Bindung der Streitkräfte an die Grundrechte, nicht jedoch eine Bindung der Grundrechte an die Entscheidungen und Bedarfslagen der Streitkräfte."[40] Dies gilt nicht nur im Frieden, sondern "[s]elbst im Verteidigungsfall ist die Bindung der Streitkräfte an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) sowie an ‚Gesetz und Recht’ (Art. 20 Abs. 3 GG) gerade nicht aufgehoben."[41] Diesen verfassungsrechtlichen Imperativ hatte das Bundesverwaltungsgericht im übrigen bereits mehrfach im Laufe einer fünfunddreißigjährigen ständigen Rechtsprechung bekräftigt[42], so zum Beispiel 1992, wo es im Kontext des Streits um die nukleare Abschreckung Soldaten das Recht auf situative Gehorsamsverweigerung aus Gewissensgründen konzediert: "Da ... dem Grundrecht der Freiheit des Gewissens nach Art. 4 Abs. 1 GG gegenüber einem Befehl das größer Gewicht zukommen kann mit der Folge, dass der Befehl unverbindlich ist (...), kann ein Soldat selbst seine Einstellung zum Einsatz bewaffneter Macht mit bestimmten Mitteln zu einem konkreten politischen oder militärischen Zweck überdenken und sich insbesondere damit auseinander setzen, welche persönliche Gewissensentscheidung er situationsbedingt treffen würde, falls ihm etwa befohlen werden sollte, an einem Einsatz von ABC-Waffen mitzuwirken."[43]

Für den in der Bundeswehr so häufig zitierten Primat der Politik heißt das, dass dieser lediglich innerhalb der Grenzen von Recht und Gesetz gilt, jenseits davon aber der Primat des Gewissens herrscht, denn so das Gericht: "[I]m Konflikt zwischen Gewissen und Rechtspflicht [ist] die Freiheit des Gewissens ‚unverletzlich’ ... ."[44] Deshalb, folgerten die Richter, hätte Soldat Pfaff einen Rechtsanspruch auf Herstellung "praktischer Konkordanz"[45] zwischen der Beachtung seines unveräußerlichen Grundrechts auf Gewissensfreiheit einerseits und den Erfordernissen des militärischen Dienstbetriebes andererseits besessen. Konkret bedeutete dies, dass ihm seine zuständigen Vorgesetzten eine gewissenschonende Handlungsalternative hätten zur Verfügung stellen müssen[46]. Dabei muss, so die Richter, "[i]m Anwendungsbereich des Grundrechts der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) ... angestrebt werden, den aufgetretenen Gewissenskonflikt unter Wahrung konkret feststellbarer berechtigter Belange der Bundeswehr in einer Art und Weise zu mildern und zu lösen, die die normierte ‚Unverletzlichkeit’ der Freiheit des Gewissens nicht in Frage stellt, sondern gewährleistet."[47]

Ohne die Konzeption der »Inneren Führung« konkret zu erwähnen, aber ganz in deren Geiste, fordert das Gericht ein "ein konstruktives Mit- und Zusammenwirken beider Seiten"[48] und legt in diesem Zusammenhang die Pflichten der Akteure dar. Dabei kann "[v]om jeweiligen Soldaten ... erwartet werden, dass er seine Gewissensnöte seinen zuständigen Vorgesetzten möglichst umgehend und nicht ‚zur Unzeit’ darlegt sowie auf baldmöglichste faire Klärung der zugrunde liegenden Probleme dringt."[49] Andererseits sind die jeweiligen "militärischen Vorgesetzten gehalten, sich der vom Soldaten geltend gemachten Gewissensentscheidung zu stellen. Sie dürfen diese - schon im Hinblick auf ihre Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) - weder negieren noch lächerlich machen oder gar unterdrücken."[50] Besondere Bedeutung im Hinblick auf die Erfüllung dieser Aufgabe messen die Richter der politischen Bildung zu, in deren Rahmen die Soldaten über ihre staatsbürgerlichen und völkerrechtlichen Pflichten und Rechte im Frieden und im Kriege zu unterrichten sind.[51]

Zur Herstellung der geforderten "praktischen Konkordanz" zwischen den grundrechtlichen Garantieansprüchen des Soldaten und den militärischen Erfordernissen sind die Vorgesetzten des Soldaten gehalten zu prüfen, ob nach der jeweiligen Sachlage im konkreten Einzelfall von einer Durchsetzung des Befehls einstweilen Abstand genommen und dem Soldaten eine gewissenschonende Handlungsalternative angeboten werden kann (zum Beispiel anderweitige Verwendung, Wegkommandierung, Versetzung o. ä.).[52] Im Falle Pfaff monierte das Bundesverwaltungsgericht unnachsichtig, dass ‚der Umgang der zuständigen Vorgesetzten mit dem Soldaten diesen rechtlichen Anforderungen zur Herstellung "praktischer Konkordanz" zwischen dem Anspruch des Soldaten auf Beachtung seines Grundrechts auf Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) und der Gestaltung des konkreten Dienstbetriebes nicht entsprach – jedenfalls nicht bis zum Zeitpunkt der erst Wochen später erfolgten Ablösung von seinen in Rede stehenden Dienstaufgaben im Streitkräfteamt’.[53] Gerade auch aus Fürsorgegründen hätten sich weder die Bundeswehrführung noch die zuständigen militärischen Vorgesetzten der hinreichenden Klärung der von Pfaff aufgeworfenen Fragen entziehen und es unterlassen dürfen, daraus die gebotenen Konsequenzen zu ziehen[54]. Auf geradezu beißende Kritik in diesem Zusammenhang stieß bei den Bundesverwaltungsrichtern das inkompetente Agieren des in den Vorgang involvierten Leitenden Rechtsberaters im Streitkräfteamt.[55]

 

In den vom Bundesverwaltungsgericht konzis dargelegten verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie speziell dem Gebot der Herstellung "praktischer Konkordanz" zwischen staatsbürgerlichen Grundrechten und Interessen des Dienstherrn liegt schlussendlich der Grund dafür, dass der Bundeswehrmajor Pfaff weder degradiert noch gar aus dem Dienstverhältnis entfernt werden durfte, sondern der von ihm unter Berufung auf sein Grundrecht der Gewissensfreiheit beanspruchte und auch gebotene konkrete gewissenschonende Konfliktausgleich letztlich doch herbeigeführt worden ist. Mittlerweile wurde er nämlich zum Sanitätsamt der Bundeswehr nach München versetzt.

Mit ihrem unmissverständlichen, glasklar formulierten, konziser Rechtsauslegung folgenden Urteil haben die Leipziger Richter der rot-grünen Bundesregierung, der NATO-hörigen Bundeswehrführung sowie allen bellizistischen Worthelden eine schallende Ohrfeige erteilt. Kaum verwunderlich setzte umgehend heftigste Urteilsschelte ein. Gleichwohl ist man geneigt, eine Träne der Verzweiflung zu weinen, in der das Salz des Ärgers die Feuchtigkeit der Anteilnahme zu verkrusten droht, angesichts der Melange aus Dreistigkeit und Ignoranz, mit welcher gewisse Protagonisten aus der rechtskonservativen Ecke der sogenannten «Strategic Community» dieses höchstrichterliche Urteil in der Causa Pfaff nun kommentieren. Bemerkenswert an diesem Vorgang ist einzig das kümmerliche Niveau der von allenfalls rudimentärer Sachkenntnis getrübten Anwürfe. So gibt der ehemalige Verteidigungsminister und vielzitierte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Rupert Scholz zu Protokoll[56], dass es nicht die Aufgabe eines Soldaten sei, zu bewerten, ob ein Krieg völkerrechtswidrig sei und ob er deshalb die Ausführung bestimmter Befehle verweigern dürfe. Gerade Berufssoldaten seien dem existenznotwendigen Prinzip von Befehl und Gehorsam verpflichtet. Und deshalb könne es nicht sein, dass Rechtsfragen Gegenstand einer Gewissensentscheidung des Soldaten würden mit der Maßgabe, dass der den Befehl verweigern könne. Diese Einlassungen müssen schon deshalb Erstaunen hervorrufen, weil bereits jedem Rekruten der Bundeswehr zu Beginn seiner Grundausbildung beigebracht wird, dass er Befehle, durch die eine Straftat begangen würde, gar nicht befolgen darf (§ 11 Soldatengesetz[57]). Dieser Gesetzesauflage kann ein Soldat selbstverständlich nur dann nachkommen, wenn er die Rechtmäßigkeit von Befehlen prüft, bevor er sie ausführt. Dass einem ehemaligen Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr derartiges wehrrechtliches Basiswissen offenbar nicht präsent ist, kann den Major Pfaff in seiner Haltung nur schlagend bestätigen.

Auch unter Bundeswehrgeneralen stößt das Urteil auf Ablehnung – allerdings wagten wie üblich nur Pensionäre öffentliche Kritik. So spricht der ehemalige Inspekteur des Heeres und später sogar zum Staatsekretär auf der Hardthöhe beförderte Jörg Schönbohm, derzeit Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident von Brandenburg, hinsichtlich des besagten Urteils von einer ‚bedauerlichen Entwicklung’[58] und warnt unter Bezugnahme auf Theodor Heuss, vor einem "Verschleiß des Gewissens"[59]. Darüber hinaus sieht er die Bündnisfähigkeit Deutschlands in der NATO gefährdet, "[w]enn Bundeswehrsoldaten in wichtigen Funktionen plötzlich anfangen, sich auf ihr Gewissen zu berufen ..." . Kräftiger hin langt der ehemalige Amtschef des Heeresamtes und jetzige Präsident des »Bayerischen Soldatenbundes«, Jürgen Reichardt, in seiner Hauspostille mit dem bezeichnenden Namen "Treue Kameraden". Er nämlich hält die Entscheidung der Leipziger Richter für "eine befremdliche, unverständliche Gesetzesauslegung, vergleichbar jenem berüchtigten (sic!) »Mörder-Urteil« des Bundesverfassungsgerichts. Sie liefert die Funktionsfähigkeit unserer Streitkräfte den persönlichen Anschauungen einzelner Soldaten aus, untergräbt somit die Grundlagen soldatischen Handelns und gefährdet die Verlässlichkeit unserer Streitkräfte."[60] Überdies wittert Reichardt Gefahren für die "Fundamente des Staates"[61] schlechthin. Den Gewissenskonflikt des Soldaten Pfaff angesichts massiven Völkerrechts- und Verfassungsbruchs bezeichnet er als "eigentlich belanglose Sache"[62] und unterstellt ihm "anmaßende politische Absichten politisierender Soldaten"[63] . Bei dieser Gelegenheit schießt der General außer Diensten auch gleich eine volle ideologische Breitseite gegen das "sogen. »Darmstädter Signal«, eine kleine Gruppe politisch extrem linker Soldaten, die sich im Internet ihrer Kampagnen rühmen"[64] , denn Pfaff sei schließlich bei dieser Mitglied. Zu dumm nur, dass es sich bei Paff um einen tiefgläubig katholischen, politisch eher konservativen und unbeirrbar rechtstreuen Bayern handelt, der linker Umtriebe definitiv abhold ist. Bloß noch skurril wirkt dann Reichardts Schlussappell an den Verteidigungsminister, die Revision des Leipziger Urteils als seine Aufgabe anzusehen – indes: gegen diese höchstrichterliche Entscheidung ist eine Revision gar nicht zulässig.

Den Vogel bei der Urteilskrittelei schoss indes der Vorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes, Oberst Bernhard Gertz, – notabene Volljurist – ab, als er allen Ernstes zum Besten gab, man müsste hinsichtlich der Gewissensfreiheit für Soldaten "unterscheiden zwischen Wehrpflichtigen und Zeit- sowie Berufssoldaten, für den Berufssoldaten gälte eine deutlich stärkere Pflichtenbindung."[65] Je höher Status und Besoldung, desto gewissenloser die Haltung, ließe sich daraus folgern. Konsequenterweise fordert Gertz denn auch eine Einschränkung der Gewissensfreiheit für Soldaten, die gefälligst dort ihre Grenzen finden müsse, wo die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr betroffen sei.[66]

Den Major Pfaff indes lässt solche Empörungsrhetorik völlig ungerührt, denn der kommt in der Isarmetropole freudig erfüllten Herzens seiner "Pflicht zum treuen Dienen" nach – frei nach der Maxime von Hans Scholl, dem Protagonisten der "Weißen Rose": "Es lebe die (Gewissens-)Freiheit!"


 

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.

 


Fussnoten:

[1] Merkel, Reinhard: Krieg. Was Amerika aufs Spiel setzt. Ein Präventivkrieg mag der Logik imperialer Macht entsprechen. Aber er untergräbt das Rechtsbewusstsein der Menschheit, Erstveröffentlichung in der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit« Nr. 12/2003, abgedruckt in dem Sammelband von: Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): Der Irak-Krieg und das Völkerrecht, (Reihe Juristische Zeitgeschichte, Abteilung 5: Juristisches Zeitgeschehen – Rechtspolitik und Justiz aus zeitgenössischer Perspektive, Bd. 14), Berlin 2004, S. 28. Ebenso Murswiek, Dietrich: Die amerikanische Präventivkriegsstrategie und das Völkerrecht, in: Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): a.a.O., S. 294 sowie Schirmer, Gregor: Deutschland ein Aufmarschgebiet der USA im Krieg gegen den Irak? – Zur Rechtslage nach Völkerrecht, in: Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): a.a.O., S. 164. Prantl, Heribert: Lehren des Irak-Krieges. Die neue Weltordnung: Annäherung an die Barbarei, in: Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): a.a.O., S. 57, spricht von einem "organisierten Verbrechen".
An der Illegalität des Irak-Krieges nach allen etablierten völkerrechtlichen Kriterien existieren nach herrschender juristischer Meinung längst keinerlei Zweifel mehr; vgl. hierzu die überwältigende Mehrheit der Beiträge in Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): a.a.O. und in Lutz, Dieter S.†/Gießmann, Hans J. (Hrsg.): Die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren. Politische und rechtliche Einwände gegen eine Rückkehr des Faustrechts in die internationalen Beziehungen, (Reihe Demokratie, Sicherheit, Frieden, Bd. 156), Baden-Baden 2003. Beide Bände zitiert das Bundesverwaltungsgericht im Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 – BVerwG 2 WD 12.04.

[2] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 99.

[3] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 103.

[4] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 99.

[5] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 124.

[6] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 125.

[7] Vgl. hierzu Rose, Jürgen: Wozu das NATO-Truppenstatut die Bundesregierung verpflichtet, in: Bernd W. Kubbig (Hrsg.): Brandherd Irak. US-Hegemonieanspruch, die UNO und die Rolle Europas, Frankfurt/Main 2003, S. 235 – 242; Deiseroth, Dieter: Verstrickung in einen Angriffskrieg. Zu Reichweite und Grenzen von Bündnisverpflichtungen im US-Irak-Krieg, in: Lutz, Dieter S.†/Gießmann, Hans J. (Hrsg.): a.a.O., S. 160 – 182; Paulus, Andreas: Die Büchse der Pandora. Deutschland und der Irak-konflikt aus der Sicht eines Völkerrechtlers, in: Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): a.a.O., S. 322 – 325 sowie Paech, Norman: Washington bricht Völkerrecht: Bundesregierung mitschuldig?, in: Ambos, Kai/Arnold, Jörg (Hrsg.): a.a.O., S. 394f.

[8] Pfaff, Florian zit. n. Bundesverwaltungsgericht: Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 – BVerwG 2 WD 12.04, S. 103.

[9] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 8.

[10] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 20.

[11] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 120. Wörtlich führt das Gericht hierzu aus: "Der Zeuge S. hat vor dem Senat ausgesagt und dies auf Nachfrage mehrfach wiederholt, für diesen Rechtsbereich habe ihm die erforderliche fachliche Kompetenz gefehlt. Er sei in völkerrechtlichen Fragen nicht ausgebildet. Ihm hätten die notwendigen Erkenntnisquellen nicht zur Verfügung gestanden. Ihm sei auch der Inhalt der vom Bundesminister der Verteidigung herausgegebenen ZDv 15/2 ("Humanitäres Völkerrecht in bewaffneten Konflikten") nicht geläufig." Unglaublich, aber wahr!

[12] Pfaff, Florian zit. n. Bundesverwaltungsgericht: Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 – BVerwG 2 WD 12.04, S. 20.

[13] Vgl. Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 6. Die 1. Kammer hatte das Verhalten des Soldaten als vorsätzlichen Verstoß gegen die Pflichten zum treuen Dienen nach § 7 SG, zur Dienstaufsicht nach § 10 Abs. 2 SG, zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SG sowie zur Achtungs- und Vertrauenswahrung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 gewürdigt und hat insgesamt ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG und § 18 Abs. 2 WDO als gegeben angesehen.

[14] Vgl. Truppendienstgericht Nord: Urteil im gerichtlichen Disziplinarverfahren - N 1 VL VL 24/03 - vom 9. Februar 2004, S. 8. Konkret führte das Gericht dort folgende schuldmindernde Gründe auf:

  • Dem Soldaten ist zugute zu halten, dass er sich ernsthaft mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob er sich durch seine dienstliche Tätigkeit strafbar macht und Untergebene zu Straftaten verleitet,
  • er hat sich bisher nichts zu Schulden kommen lassen,
  • er hat eine förmliche Anerkennung und mehrere Auszeichnungen erhalten,
  • er ist ein leistungsfähiger und engagierter Soldat.

[15] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 8.

[16] Vgl. Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92, 2 BvE 7/93 und 2 BvE 8/93 - <BVerfGE 90, 286>.

[17] Vgl. Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 12. Juli 1994, a.a.O., S. 355f (Hervorhebungen nicht im Original).

[18] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 29.

[19] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 30 (Hervorhebungen nicht im Original).
Art. 51 SVN lautet: "Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält."

[20] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 30.

[21] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 30. Die einschlägige Passage im Urteil lautet: "Außer "zur Verteidigung" im dargelegten Sinne dürfen die Streitkräfte der Bundeswehr, wie die Verfassungsnorm des Art. 87a Abs. 2 GG zwingend bestimmt, nur eingesetzt werden, soweit dies das Grundgesetz "ausdrücklich" zulässt; dies ist für Einsätze der Bundeswehr nach Art. 87a Abs. 3 (Schutz ziviler Objekte und Verkehrsregelung im Verteidigungs- und im Spannungsfall) und Abs. 4 GG (Unterstützung der Polizei beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer im Bundesgebiet) sowie nach Art. 35 Abs. 2 und 3 GG (insbesondere Hilfe bei Naturkatastrophen und bei besonders schweren Unglücksfällen) der Fall. Darüber hinaus gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Verwendung der Streitkräfte der Bundeswehr auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 GG im Rahmen eines "Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit" zu den Aufgaben, zu deren Erfüllung sie eingesetzt werden dürfen, soweit der Einsatz entsprechend den Regeln des betreffenden Systems erfolgt (Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - <BVerfGE 90, 286 [346 ff., 355 f.]>), also insbesondere mit der UN-Charta vereinbar ist."

[22] § 11 Abs. 2 Soldatengesetz (Gehorsam): "Ein Befehl darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird."

[23] § 5 Abs. 1 Wehrstrafgesetz (Handeln auf Befehl): "Begeht ein Untergebener eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand des Strafgesetzes verwirklicht, auf Befehl, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt, dass es sich um eine rechtswidrige Tat handelt oder dies nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist."

[24] Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 72, wo das Gericht bezüglich der Befürchtung Pfaffs, einen kausalen Beitrag zur Unterstützung und Förderung des seit dem 20. März 2003 geführten Krieges der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak zu leisten, feststellt: "Denn bereits eine solche ernsthafte Möglichkeit reichte als Kontext der vom Soldaten geltend gemachten schweren Gewissensbelastungen aus."

[25] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 116.

[26] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 73.

[27] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 81.

[28] Vgl. zu diesem Komplex Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 83ff.

[29] Vgl. auch Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr (ZDv) 15/2 Nr. 1104.

[30] Vgl. auch ZDv 15/2 Nr. 1101, 1106 1108 und 1110.

[31] Vgl. auch ZDv 15/2 Nr. 1150.

[32] Vgl. auch ZDv 15/2 Nr. 1109.

[33] Vgl. auch ZDv 15/2 Nr. 17.

[34] Vgl. auch Dreist, Peter: 50 Jahre Bundeswehr – Rahmenbedingungen für Einsätze im Ausland im Spannungsfeld zwischen Politik und Recht -Teil II-, in: Bundeswehrverwaltung – Fachzeitschrift für Administration, Nr. 3/ 2005, S. 59.

[35] Vgl. die einleitend zitierten Kernsätze aus der Urteilsbegründung (Fußnoten 2 und 3).

[36] Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 28 - 46. Gemäß der im vorliegenden Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht vorgenommenen Bestimmung lassen sich rechtlich nicht verbindliche Befehle in folgenden sieben Untergruppen subsumieren:

  1. Befehle, welche die Menschenwürde verletzen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 Alternative 1 SG),
  2. Befehle, die zu nichtdienstlichen Zwecken erteilt worden sind (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 Alternative 2 SG),
  3. Befehle, durch deren Befolgung eine Straftat begangen würde (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SG),
  4. Befehle, deren Ausführung objektiv unmöglich ist, die sich inhaltlich widersprechen oder die durch eine grundlegende Veränderung der Sachlage sinnlos geworden sind,
  5. Befehle, deren Erteilung oder Ausführung nach Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG als Handlung zu qualifizieren ist, die geeignet ist und in der Absicht vorgenommen wird, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten,
  6. Befehle, deren Erteilung oder Ausführung gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts - Art. 25 GG – verstößt und
  7. Befehle, deren Ausführung für einen Untergebenen unzumutbar ist.

[37] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 106.

[38] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 36.

[39] "Die verfassungsrechtlich gewährleistete Gewissensfreiheit umfasst nicht nur die Freiheit, ein Gewissen zu haben, sondern grundsätzlich auch die Freiheit, von der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet zu werden, gegen Gebote und Verbote des Gewissens zu handeln", definiert dasBundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 52.

[40] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 112.

[41] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 113.

[42] Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 38 – 46.

[43] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 41.

[44] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 106.

[45] Vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 108f und S. 115ff.

[46] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 124.

[47] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 115.

[48] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 115.

[49] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 115.

[50] Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 116.

[51] Vgl. Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 116.

[52] Vgl. Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 116.

[53] Vgl. Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 119.

[54] Vgl. Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 122.

[55] Vgl. Bundesverwaltungsgericht: a.a.O., S. 119f. Die Richter sahen sich genötigt, ihren Kollegen von der juristischen Fakultät bei dieser Gelegenheit darüber zu belehren, dass gemäß ZDv 15/2 Nr. 146 "die Beratung des Kommandeurs und der diesem unterstellten Disziplinarvorgesetzten in allen Fragen des Wehrrechts und des Völkerrechts sowie die rechtliche Mitprüfung von Befehlen und Anweisungen zu den Aufgaben eines Rechtsberaters [gehört]".

[56] Vgl. Scholz, Rupert: "Befehl und Gehorsam sind existenznotwendig" Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz über das Verwaltungsgerichtsurteil, das einem Soldaten Befehlsverweigerung aus Gewissensgründen zubilligt, in: Die Welt, 25. Juni 2005.

[57] Siehe Fußnote 22.

[58] Vgl. Schönbohm, Jörg: Berufsrisiko für Soldaten. Interview mit Jörg Schönbohm, in: Süddeutsche Zeitung, 24. Juni 2005, S. 2.

[59] Vgl. Schönbohm, Jörg: Berufsrisiko für Soldaten. Interview mit Jörg Schönbohm, a.a.O..

[60] Reichardt, Jürgen: Gehorsam und Gewissen, in: Treue Kameraden – Zeitschrift des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V., Nr. 4/2005, S.3.

[61] Vgl. Reichardt, Jürgen: Gehorsam und Gewissen, a.a.O..

[62] Vgl. Reichardt, Jürgen: Gehorsam und Gewissen, a.a.O..

[63] Vgl. Reichardt, Jürgen: Gehorsam und Gewissen, a.a.O..

[64] Vgl. Reichardt, Jürgen: Gehorsam und Gewissen, a.a.O..

[65] Gertz, Bernhard: "Grenzen der Einsatzfähigkeit", in: Westfälische Rundschau, 25. Juni 2005 (Interviewer: Lothar Klein).

[66] Vgl. Gertz, Bernhard: "Grenzen der Einsatzfähigkeit", a.a.O..