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Sommer 2000

 

Die Konflikte im Transkaukasus und die Rolle der Öldiplomatie.

Rizvan Nabiev

 

Das Ende des Kalten Krieges und der Untergang der UdSSR haben die Struktur des internationalen Systems grundlegend verändert. In den neuen politischen Konstellationen kommt der rohstoffreichen Kaukasusregion wegen ihrer strategischen Position zwischen Europa und Asien eine wichtige Rolle zu. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Ölvorkommen und das Geflecht aus Öl- und Gaspipelines. Nicht zuletzt aus diesem Grund war der Kaukasus in den letzten Jahren Schauplatz mehrerer kriegerischer Konflikte. So z.B. der Streit um Berg-Karabach zwischen Aberbaidschan und Armenien, der abchasische und ossetische Separatismus in Georgien, der Krieg in Tschetschienien stören, die Ökonomie der Region und behindern die zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Die Hintergründe dieser Konflikte liegen neben der Auseinandersetzung um Ressourcen vor allem in der Überlagerung verschiedener ethnischer, politischer und territorialer Grenzen. Die Ambitionen der Groß- und Regionalmächte, vor allem der USA und Russlands, verschärfen diese Konflikte noch.

Die Ölverträge Aserbaidschans

Das kaspische Becken wird nach dem Persischen Golf als das ölreichste Gebiet der Erde angesehen. Knapp 30 Milliarden Barrel sind für die Region nachgewiesen und insgesamt werden die 61reserven des Kampagne Beckens auf ca. 163 Milliarden Barrel geschätzt. Die Gesamtgasreserven werden auf 16,6 bis 2o Billionen Kubikmeter beziffert.(1) Seit 1994 hat die Ölrepublik Aserbaidschan mit mehreren großen Ölgesellschaften ungefähr zwanzig Ölverträge unterzeichnet. (2) Der größte Ölkontrakt des 20. Jahrhunderts wurde im September 1994 in Baku abgeschlossen, um drei aserbaidschanische Off-Shore-Ölfelder (Azeri, Chirag und Guneshli) auszubeuten, deren Gesamtvolumen auf drei bis fünf Mrd. Barrel geschätzt wird. Elf internationale Konzerne sind an dem Konsortium, das den Vertrag abgeschlossen hat, beteiligt. (3) Die Unternehmen erwarten, innerhalb der nächsten 30 Jahre für die Investition von 7,7 Mrd. USD einen Profit von nicht weniger als 186 Mrd. USD zu erwirtschaften. Welche Auswirkungen der Ölgewinn auf die gesellschaftliche Entwicklung und den Lebensstandard der Aseris haben wird, ist nicht eindeutig zu beantworten. Während die Ölunternehmen sicherlich ihre Profite abschöpfen werden, dürfte der aserbaidschanischen Bevölkerung nur ein Bruchteil der aus dem nationalen Ölreichtum erwirtschafteten Erträge zugute kommen. Die staatliche Bürokratie und die allgemein verbreitete Korruption werden sich - so steht zu erwarten - auch diesmal als ein Hindernis für die Entwicklung der noch jungen Republik erweisen.

Gegenwärtig sind zum Abtransport des geförderten Erdöls zwei Routen in Betrieb: Eine nördliche Leitung verläuft über die russische Stadt Noworossijsk, eine westliche Trasse durch Georgien. Die nördliche Pipeline existiert schon seit der Sowjetzeit, hat aber den Nachteil, das sie über tschetschenisches Gebiet führt. Daher ist ihre Sicherheit nicht gegeben. Sicherer ist die Pipeline zur georgischen Hafenstadt Supsa. Deren Transportkapazitäten reichen aber nicht aus, daher wird nun der Bau einer weiteren Ölverbindung durch Georgien bis in die Türkei geplant. Insbesondere vom Westen wird eine solche Trasse favorisiert. Eine Verbindung durch Armenien kommt wegen des Krieges mit Aserbaidschan gegenwärtig nicht in Frage. Die Wegführung über den Iran wird wegen des politischen Dauerkonfliktes mit dem Mullah-Regime von den USA abgelehnt.

So steht die an Bodenschätzen reiche kaspische Region im Fadenkreuz widerstreitender geopolitischer Interessen. Die Großmächte (USA, Russland, China) und die dominierenden Mächte der Region (Türkei, Iran) konkurrieren um Präsenz und Einfluss. Die Russische Föderation betrachtet das kaspische Becken traditionell als ihre Einflusssphäre. Im Jahre 1997 haben auch die Vereinigten Staaten diesen Raum zu einer strategisch wichtigen Interessenzone erklärt. Dazu kommt Aserbaidschans geopolitische Lage im Spannungsdreieck zwischen Russland, Iran und der Türkei. Durch die Unterstützung der Türkei versuchen die USA, vor allem ihren eigenen Einfluss in der Region auszuweiten. Das offizielle Baku versucht, dieses Spannungsdreieck im kaspischen Raum durch seine Diplomatie für die Durchsetzung der nationalen Interessen zu nutzen.

Varianten für die zukiinftige Trassenführung

Keines der ölreichen Länder des kaspischen Beckens verfügt über einen direkten Zugang zum offenen Meer. Der Kampf um die Trassen steht in Zusammenhang mit den regionalen Konflikten. Die Frage, durch welche Staaten die Pipelines verlaufen, gewinnt enorme politische und ökonomische Bedeutung. Die Beförderung des Erdöls und des Erdgases der Region weckt klassische geopolitische Machtinstinkte. Fünf Alternativen für den Verlauf der geplanten Pipeline standen zur Disposition:

  1. Baku (Aserbaidschan) - Grosny (Tschetschenien) Noworossijsk (Russland),
  2. Baku (Aserbaidschan) - Supsa (Georgien) - Ceyhan (Türkei),
  3. Baku (Aserbaidschan) - Erewan (Armenien) - Ceyhan (Türkei),
  4. Baku (Aserbaidschan) - Bandar Abbas (Iran),
  5. Baku (Aserbaidschan) - Tbilissi (Georgien) - Ceyhan (Türkei).

Kaukasus.gif (23957 Byte)

Während Aserbaidschan als einziger Erdölexporteur den höchsten Erlös erwirtschaftet, wollen von der Verlegung einer großen Pipeline über ihr Territorium auch eine Reihe potentieller Transitländer profitieren. Durch MiIliarden-Investitionen für den Pipelinebau werden längerfristig Arbeitsplätze geschaffen, die eigene Ölversorgung gesichert und der Staat nicht zuletzt politisch aufgewertet. Theoretisch wird es möglich, das die Pipeline-Diplomatie zur Beilegung vorhandener Konflikte beiträgt und zukünftige Auseinandersetzungen verhindert. So könnte die Baku-Erewan-Ceyhan Ölleitung durch ihren Verlauf über Armenien mäßigend auf den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt um Berg-Karabach wirken, da beide Konfliktparteien am Funktionieren der Erdölexporte ein Interesse haben. Allerdings wird gerade durch diese positiven Zukunftsaussichten die Trassenführung der geplanten Erdölleitung zum Zankapfel zwischen allen Nachbarstaaten.(4) Die Frage Öltrasse verschärfte somit eher die Instabilität in der Region.

Vom ökonomischen Standpunkt aus betrachtet ist die favorisierte Öltrasse Baku -Tbilissi - Ceyhan die teuerste der möglichen Alternativen. Wahrend des OSZE-Gipfeltreffens in Istanbul im November 1999 haben die Türkei, Aserbaidschan und Georgien einen Vertrag über diese Pipeline abgeschlossen; zusätzlich unterzeichneten die Staatsoberhäupter von Kasachstan und Turkmenistan ein Protokoll über die zukünftige Nutzung der geplanten Öltrasse. Bei der Entscheidung für diese Ölpipeline, die außerhalb des russischen Einflussbereiches verlaufen wird, war vor allem der Wille der amerikanischen Regierung ausschlaggebend. Aserbaidschans Interesse an dieser teuren Pipeline ist in erster Linie mit der Verstärkung seiner Unabhängigkeit verbunden. Mit allen Mitteln versucht es, dem russischen Einflussbereich zu entkommen.

Konfliktperspektiven im Spiel der Großmächte

In der kaspischen Region sind die Staaten ohne direkten Zugang zu einem Exporthafen letztlich auf ihre Nachbarländer angewiesen, um ihre Rohstoffe verschiffen zu können. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft könnten den einzelnen Volkswirtschaften Chancen zur Veränderung eröffnen und vor allem dazu beitragen, die von den jüngsten Konflikten heimgesuchten Gebiete wieder aufzubauen. Bislang ist allerdings eher das Gegenteil der Fall: Die Polarisierung verstärkt sich, und zwar entlang der in den letzten Jahren entstandenen Bruchlinien (die USA mit der Türkei gegen Russland und Iran), wobei die Kräfteverhältnisse zunehmend durch die wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt werden.(5) Es kann aber auch eine zweite Golfregion in dem Sinne entstehen, das Spannungen und Interessengegensätze, die im Nahen Osten schon mehrfach zu blutigen Kriegen geführt haben, hier reproduziert werden.(6) Der Transkaukasus ist heutzutage eine der Regionen, in der die USA und Russland direkt um politischen Einfluss und ökonomische Erschließungsmöglichkeiten miteinander konkurrieren. Dies trifft insbesondere auf die kaspische Region zu, weil hier die wahrscheinlich letzten noch nicht angezapften Ölreserven der Welt liegen. Die amerikanische Regierung betrachtet das kaspische Becken als hervorragenden Energielieferanten für den Fall, das die Lieferungen aus dem Persischen Golf gefährdet sein sollten. (7)

Dabei ist den Amerikanern klar, dass das Gebiet für Russland aus genau den gleichen Gründen nicht minder interessant ist. Die strategische Bedeutung der Region bewertete der frühere US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger wie folgt: "Sollte es Moskau gelingen, die Oberherrschaft am Kaspischen Meer zu erlangen, so wäre dieser Sieg vielleicht bedeutsamer als die Nato-Erweiterung für den Westen." (8) Nach Ansicht des Berliner Politologen Klaus Segbers könnte es jedoch durchaus im Interesse der Mehrheit der wesentlichen Akteure liegen, das die derzeit vorherrschende Ambivalenz in der Konfliktaustragung im Transkaukasus aufrechterhalten wird. Segbers spricht in diesem Zusammenhang von einer "no war, no peace" -Situation. (9)

Rizvan Nabiev arbeitete während eines Forschungsaufenthaltes beim BITS.

 

Endnoten:

-1 Udo Nopiontek, Erdölpoker im Kaukasus, Reader Sicherheitspolitik, Ill. 19198 5.79

-2 Darunter fast alles was Rang und Namen hat: Amoco, McDermott, Pennzoil, Unocal (USA), British Petroleum (BP) Ramco (Großbritannien), Lukoil, Rossneft (Russland), Statoil (Norwegen), Total (Frankreich), TPAO (Türkei) ACIP (Italien), Itocu (Japan), Delta-Nimir (Saudi-Arabien) u.a.

(3) Das Konsortium Azerbaijan International Operating Company (AIOC) wird aus denfolgenden Konzernen gebildet: Rund 44% der Anteile gehörten verschiedenen amerikanischen Firmen, 17% der BP 10% der russischen LUKOIL, 8,56% der norwegischen Statoil, 20% verblieben bei der Staatlichen Ölkompanie Aserbaidschans. Aserboidschon wollte 5% seines Anteils an den Iran verkaufen. Auf Druck der USA wurde stattdessen der Anteil der türkischen Ölgesellschaft von ursprünglichen 1,75% um weitere 5% aufgestockt. Später hat die amerikanische McDermott ihre Anteile an die japanische Firma ITOCU verkauft.

(4) R. Götz, Die kaukasische Ölpipeline und der Welterdölmarkt, BlOst, 8.6.98, S.1

(5)E.MursaKaukasische Pipelinenetze und politische Knotenpunkte, Le Monde diplomatique, 7770-7997

(6) Zukunftsregion Kaspisches Meer. Deutsche Interessen und Europäische Politik in den transkaukasischen und zentralasiatischen Staaten, Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion, Juni 1998

(7) W Hays, The U.S. Congress and the Caspian, in: Caspian Crossroads, (Winter 7998) /1/, 5.8

(8) International Herald Tribune, Zürich, 10./11.Mai 1997.

(9) Klaus Segbers, Interessen und Hintergründe der russischen Politik im Kaukasusraum, in: Akteure und Interessen in der Krisenregion Kaukasus, SWP März 1995, S.25

 

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