Tornado-Flugzeugabsturz
Neue Diskussion über zu wenig Flugstunden?
Andreas Flocken
In der vergangenen Woche ist ein Tornado-Kampfflugzeug
der Bundeswehr in Rheinland-Pfalz abgestürzt. Die Maschine
kehrte abends bei Dunkelheit von einem Übungsflug
zurück. Der Tornado befand sich im Landeanflug auf den
Militärflugplatz Büchel. Dort werden rund 20
US-Atombomben gelagert – nur wenige Flugsekunden von der
Absturzstelle entfernt. Bomben, mit denen gegebenenfalls
deutsche Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33
ausgerüstet werden können - im Zuge der
sogenannten nuklearen Teilhabe. Der Pilot und der
Waffensystemoffizier des Tornados konnten sich rechtzeitig mit dem
Schleudersitz retten. Sie wurden nur leicht verletzt. Ein glimpflicher
Absturz. Denn die Maschine stürzte nur knapp hinter einer
Autobahn in ein Wäldchen.
Über die Unglücksursache kann die Bundeswehr noch
nicht viel sagen. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums:
O-Ton Niggemeier-Groben
„Derzeit wird der Unfallhergang durch den General
Flugsicherheit der Bundeswehr und dessen Experten untersucht. Das
konkrete Ergebnis dieser Untersuchungen wird einige Zeit in Anspruch
nehmen, bis maximal zu einem halben Jahr. Nach jetzigem Erkenntnisstand
liegen keine technischen Ursachen für den Unfallhergang
vor.“
Kein Hinweis auf technische Ursachen. Der Tornado-Flugbetrieb wurde
daher auch nicht eingestellt.
Es spricht daher vieles für einen Pilotenfehler. Die
Anforderungen an die Piloten sind enorm. Seit Jahren gibt es aber
Klagen, die Flugpraxis werde zunehmend
eingeschränkt. Die NATO fordert jährlich 180
Flugstunden, um – wie man bei den Fliegern sagt –
„Combat ready“ zu sein. Bundeswehr-Piloten fliegen
erheblich weniger. Um den Fliegerschein zu erhalten, müssen
sie jährlich 70 Flugstunden nachweisen - darin enthalten sind
aber auch 30 Stunden im Simulator. Das Problem der Piloten:
Die Luftwaffe reduziert im Zuge der Bundeswehrreform die Zahl
der Kampfflugzeuge. Es kommen also immer mehr Piloten auf immer weniger
Flugzeuge.
Hinzu kommt, dass die Flugstunden immer teurer werden. Knapp 80.000
Euro kostet inzwischen eine Eurofighter-Flugstunde, die Kosten
für eine Flugstunde des Tornados betragen rund 45.000 Euro.
Routine im Cockpit zu bekommen und Erfahrungen zu sammeln –
vor diesem Hintergrund eine echte Herausforderung. Nur eine Minderheit
der Jet-Piloten fliegt jährlich mehr als 100 Stunden.
Wie viele echte Flugstunden, also ohne Simulator, der
verunglückte junge Tornado-Pilot im vergangenen Jahr
absolviert hat - darüber will die Bundeswehr keine
Angaben machen. Relevant für die Klärung der
Absturzursache wäre das aber schon.
Und auch der Kommodore des Luftwaffengeschwaders 33, Andreas Korb,
blieb nach dem Unglück auf einer improvisierten
Pressekonferenz bei diesem wichtigen Thema sehr allgemein:
O-Ton Korb
„Alle unsere Piloten bekommen eine bestimmte Anzahl an
Flugstunden pro Jahr zur Verfügung gestellt. Die ist aus
Flugsicherheitsgründen auf jeden Fall ausreichend, dass wir
ständig einen sicheren Flugbetrieb
gewährleisten.“
Ausreichende Flugstunden. Das sehen die unmittelbar Betroffenen
möglicherweise anders.
Da ein technischer Defekt als Unglücksursache offenbar nicht
in Frage kommt, würde die Öffentlichkeit schon gerne
erfahren, was genau zu dem Absturz geführt hat. Die
Untersuchungen des sogenannten General Flugsicherheit aber
können dauern. Und das Ergebnis wird die Bundeswehr
wohl auch diesmal für sich behalten. Denn im März
vergangenen Jahres stürzte ein für den
Afghanistan-Einsatz umgerüsteter neuer Tiger-Kampfhubschrauber
in Süddeutschland ab. Der Untersuchungsbericht liegt
immer noch nicht vor. Und auf Anfrage von NDR Info teilte die
zuständige Luftwaffe mit:
Zitat PIZ Luftwaffe
„Die Abteilung Flugsicherheit in der Bundeswehr
erstellt innerdienstliche Gutachten für die Bundeswehr und
diese sind grundsätzlich nicht zur Veröffentlichung
vorgesehen.“
Dabei wären Offenheit und Transparenz durchaus angebracht.
Andreas Flocken ist Redakteur
für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und
Strategien" bei NDRinfo.
|