Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
15. Juni 2013


Minister auf Abruf? Thomas de Maizière verheddert sich in der Drohnen-Affäre

Andreas Flocken

Jetzt wird sich also ein Untersuchungsausschuss mit dem Debakel beschäftigen. Zu befürchten ist allerdings, dass es in dem Gremium weniger um die Sache als vielmehr um Wahlkampf geht. Dabei gibt es weiterhin Aufklärungsbedarf.

Ein  dreistelliger  Millionenbetrag  an  Steuergeldern  ist  durch  das  gescheiterte Rüstungsprojekt  in  den  Sand  gesetzt  worden  -  weil  die  15  Tonnen  schwere Superdrohne keine Chance auf eine Zulassung für den europäischen Luftraum hatte. Wer für dieses Missmanagement verantwortlich ist, das lässt der Verteidigungsminister  weiter  offen.  Er  hält  offenbar  niemanden  für  verantwortlich  – auch sich selbst nicht. Warum auch - die Verteidigungsstrategie des Ministers lautet nämlich so:

  O-Ton de Maizière
„Die  Entscheidung  zum  geordneten  Ende  des  seit  über  10  Jahre  dauernden Euro Hawk Projektes ist richtig….Das Verfahren allerdings wies Mängel auf…. Die Leitung des Verteidigungsministeriums hat gehandelt, sobald ihr die Probleme berichtet wurden.“

Doch gehandelt hat der Verteidigungsminister lange Zeit gerade nicht. Erst am 13. Mai, nachdem er eine Vorlage seiner Staatssekretäre bekommen hatte, will der CDU-Politiker erfahren haben, dass die Probleme des Euro Hawks unlösbar sind. Im Verteidigungsausschuss hatte Thomas de Maizière in der vergangenen Woche  mitgeteilt,  er  habe  von  den  Zulassungsproblemen  erstmals  im März 2012 erfahren. Und das sei auch der einzige Zusammenhang gewesen, in dem er vor dem 13. Mai mit dem Thema Euro Hawk befasst worden sei.

Der einzige Zusammenhang? Ganz so war es dann aber doch nicht, wie der Verteidigungsminister in dieser Woche einräumen musste. Für  einen  Besuch  der  EADS-Tochter  Cassidian  im  Dezember  vergangenen Jahres war er über die Drohne von seinen Mitarbeitern gebrieft worden  - und zwar umfassend.  In  der sogenannten Sprechempfehlung  seines Ministeriums heißt es u.a. zu den Problemen des Euro Hawks:

Zitat
„Aufgrund  der  Zulassungsproblematik  und  weiterer  Unsicherheiten  ist derzeit keine Grundlage gegeben, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu treffen.“

Die Botschaft war also: Die Superdrohne steht vor dem Aus.

 Der Verteidigungsminister  hatte  außerdem  Kenntnis  von  der  Antwort  seines Ressorts  an  den  SPD-Bundestagsabgeordneten  Klaus-Peter  Bartels  im  März dieses Jahres. Aus ihr ging ebenfalls hervor, dass es mit dem Rüstungsprojekt nicht zum Besten bestellt war. Angesichts der Zulassungsprobleme werde geprüft, ob eine Beschaffung des Euro Hawks zu rechtfertigen sei, hieß es in dem Schreiben.

Und  da  gab  es  noch  den  Redaktionsbesuch  des  Ministers  Anfang  Mai  beim DONAUKURIER  in  Ingolstadt.  Dort  ließ  de  Maizière  durchblicken,  dass  das Rüstungsprojekt vor dem Scheitern stand. Die Zeitung hat darüber dann auch berichtet. Chefredakteur Gerd Schneider:

O-Ton Schneider 
„In dem Artikel damals stand auch schon drin, dass Herr de Maizière von großen Problemen gesprochen habe. Und auf die Frage ob die fünf Euro Hawks für die Bundeswehr angeschafft würden, folgendes geantwortet hat: Man könne das noch nicht so genau sagen, das sei noch in der Erprobungsphase. Aber im Moment sieht es nicht danach aus.“ 

Im Moment sieht es nicht danach aus. Alles das kommt nur scheibchenweise ans Licht. Der Verteidigungsminister war also anders als behauptet mehrmals mit  den  Problemen  des  Rüstungsprojekts  befasst  gewesen.  Thomas  de Maizière  hat  sich  mit  seinen  Einlassungen  heillos  verheddert,  wirkt  sichtlich überfordert.
 
Ein  Minister  kennt  die  Probleme  des  Milliarden-Projekts,  reagiert  aber  nicht, fragt nicht nach. Kümmert sich nur um Entscheidungsvorlagen. Der „Flurfunk“ des Ministeriums und alle anderen Hinweise werden offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Erstaunlich. Kein Wunder, dass der Verteidigungsminister, der noch vor kurzem als Reservekanzler und möglicher Nachfolger von  Angela Merkel  gehandelt  wurde,  erheblich an Glaubwürdigkeit verloren hat. Statt im Wahlkampf zu punkten, ist er jetzt zu einer Belastung für Bundeskanzlerin Merkel geworden.
 
Thomas de Maizière ist politisch angeschlagen, ein Minister auf Abruf. Dabei steht  die  Bundewehr  vor  riesigen  Herausforderungen.  Die  eingeleitete Bundeswehrreform  ist  eine  Herkules-Aufgabe.  Ein  schwacher  Minister  wird  diese nicht  stemmen  können.  Nicht  nur  Thomas  de  Maizière  -  auch  den  Soldaten stehen nun schwere Zeiten bevor.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.