Nach dem SPD-Parteitag
Kein Widerstand mehr gegen OEF-Einsatz der Bundeswehr
Andreas Flocken
Der Verlängerung der Anti-Terror-Operation Enduring Freedom steht nun nichts mehr im
Wege. Auf dem SPD-Parteitag am vergangenen Wochenende in Hamburg kam es nicht zu der von
der Parteispitze befürchteten heftigen Debatte über die OEF-Mission in Afghanistan.
Selbst Kritiker, die bisher den Ausstieg gefordert hatten, lenkten ein und stimmten jetzt
für den Einsatz. Sie hatten wohl auch den Göttinger Parteitag der Grünen im Hinterkopf,
der mit seinem NEIN zu ISAF und Bundeswehr-Tornados die grüne Führungsriege
desavouierte. Eine weitere Rolle mag für manchen SPD-Delegierten der Umstand gespielt
haben, dass die Bundeswehr an der Anti-Terror-Operation am Hindukusch seit zwei Jahren
nicht mehr aktiv beteiligt ist. Die Bedeutung von OEF nehme ab, ließ der neue Parteivize,
Außenminister Steinmeier, den Parteitag wissen.
Selbst für Spitzenmilitärs hat die Operation Enduring Freedom in Afghanistan nicht
mehr die zentrale Bedeutung. Darauf hat vor rund sechs Wochen der deutsche NATO-General
Egon Ramms in einem Interview hingewiesen. Der Befehlshaber des für Afghanistan
zuständigen Allied Joint Force Command in der ARD:
O-Ton Ramms:
"Man kann sich dazu entscheiden, sich aus dem Antiterrorkampf zu
verabschieden, damit aus OEF auszusteigen und sich ausschließlich ISAF anzuschließen und
dort auch beispielsweise Spezialkräfte unter dem Mandat von ISAF zur Verfügung zu
stellen. Das wäre eine Handlungsmöglichkeit für die Bundesregierung, die vielleicht die
Entscheidungssituation bei uns im Deutschen Bundestag vereinfachen würde."
Bundesregierung und Bundeswehr-Führung sehen das allerdings anders. OEF wird für
unverzichtbar gehalten. Ramms bekam von Generalinspekteur Schneiderhan wegen des
Interviews offenbar einiges zu hören. Denn die Pressestelle des NATO-Kommandos teilte nur
wenige Stunden nach dem Interview mit, General Ramms halte den OEF-Einsatz weiterhin für
zwingend zur Vermeidung eines Vakuums im Kampf gegen den Terrorismus.
Ungewöhnlich: Die NATO-Pressemitteilung wurde über das Bundesverteidigungsministerium an
die Medien übermittelt.
Die Bundesregierung hält gegenüber der Öffentlichkeit noch immer an der Vorstellung
fest, die ISAF-Mission sei vor allem eine Stabilisierungsoperation, die sich in erster
Linie auf den Wiederaufbau konzentriere. Die Wirklichkeit vor allem im Süden und Osten
des Landes sieht allerdings längst anders aus. Dort sind ISAF-Soldaten inzwischen auch in
die Uniform der Anti-Terror-Operation Enduring Freedom geschlüpft. Der Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses des afghanischen Parlaments, Noorulhaq Olomi:
O-Ton Noorulhaq Olomi (overvoice):
"Wenn es um die Rolle der Soldaten in Afghanistan geht, gibt es zwischen den
Missionen meiner Ansicht nach keinen Unterschied. Die Koalitionstruppen werden angeführt
von den USA. Der Kommandeur der ISAF kommt aus den USA. Zu Beginn war es nicht die Aufgabe
der ISAF, gegen Terroristen zu kämpfen. Das ist jetzt aber der Fall. Bei unseren Leuten
im Süden heißen die Soldaten nur noch die Ausländer."
Die Grenzen zwischen ISAF und Enduring Freedom, zwischen Stabilisierungs- und
Anti-Terror-Operation, sind also inzwischen verwischt. Die Bundesregierung hat der
deutschen Öffentlichkeit aber einen anderen Eindruck vermittelt. Und auch dem höchsten
deutschen Gericht. Das Bundesverfassungsgericht hatte bei seiner Entscheidung im Sommer
über den Tornado-Einsatz auch den Generalinspekteur der Bundeswehr gehört. Dabei wurde
u.a. die Praxis erörtert, dass der Befehlshaber der Anti-Terror-Operation OEF in
Personal-Union zugleich Kommandeur der amerikanischen ISAF-Truppen im Osten Afghanistans
ist. Schneiderhan hatte darauf hingewiesen, dass dieser General mit "Doppelhut"
allerdings nicht im ISAF-Hauptquartier in Kabul angesiedelt sei. Die Schlussfolgerung der
Verfassungsrichter in der Urteilsbegründung:
Zitat Urteil Verfassungsgericht:
"Dadurch ergebe sich gerade nicht die Gefahr einer unkontrollierten
Vermischung der Einsätze. Somit sind nicht nur rechtlich, sondern auch in der praktischen
Durchführung hinreichende Vorkehrungen dafür geschaffen, dass es zu einer Vermischung
der Operationen mit der Folge der Auflösung der bisherigen Trennung der
Verantwortungsbereiche nicht kommt."
Ein Ortstermin am Hindukusch hätte deutlich gemacht, dass die Realität anders
aussieht.
Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung
"Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.
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