taz
12. März 2002

Sprengsatz für die Nato

Otfried Nassauer

George W. Bush hat zugeschlagen. Seine Rede an die Nation lässt erkennen, dass es für die USA künftig zwei Hauptgründe für Interventionen gibt - die Bekämpfung des Terrorismus und die der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen.

Nun macht Bush deutlich, dass auch der Einsatz von Atomwaffen nicht ausgeschlossen wird. Im Gegenteil: Neue Aufgaben könnten den Bau neuer Atomwaffen, neue Tests und eine neu ausgerichtete nukleare Zielplanung erforderlich machen. Das und die Rückversicherung gegen das Wiedererstehen klassischer nuklearer Bedrohungen (Russland, China) sind die wesentlichen Ergebnisse der Überprüfung der Nuklearpolitik Washingtons in der so genannten Nuclear Posture Review.

Die Bedeutung der Nuklearwaffen - das machen die öffentlich gewordenen geheimen Passagen deutlich - wächst, obwohl die Zahlen sinken. Weniger ist mehr.

Europas Politiker reagieren sprachlos. Dabei hat die Bush-Administration gerade sie aufgefordert, Position zu beziehen. Bei einer Sitzung des Nato-Rates im Januar machten die USA den Europäern die Alternative deutlich: Entweder die Allianz spielt eine wesentliche Rolle beim Krieg gegen den Terror und bei der Bekämpfung der Proliferation, oder sie wird bedeutungslos.

Bis zum Prager Nato-Gipfel im November soll die Entscheidung fallen. Aus amerikanischer Sicht kann die Frage nur lauten: Macht Europa mit, wenn die USA Terroristennetzwerke oder so genannte Schurkenstaaten mit Krieg überziehen - notfalls auch mit Atomkrieg?

Die Debatte über einen möglichen Angriff auf den Irak ist nur die Vorspeise. Das Angebot an Haupt- und Nachspeisen steht noch nicht fest. Die Zutaten werden aber bereits vorbereitet. Ähnlich wie bei völkerrechtlich problematischen oder völkerrechtswidrigen Interventionen der Vergangenheit könnte den USA daran gelegen sein, die europäischen Nato-Staaten bei Präzedenzfällen ins Boot zu holen. Wenn 19 Demokratien gemeinsam handeln, dann ist Opposition schwieriger als bei einem US-Alleingang. Betrachten wir den Extremfall: Wie würde Europa entscheiden, wenn Washington sich an die Nato wenden und anfragen würde, ob die Nato-Staaten, denen US-Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe zur Verfügung stehen, diesen Einsatz gemeinsam mit den USA durchführen? Wegducken geht nicht. Bush stellt die Frage.

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).