Ohne Rüstung Leben
Nr. 127, Ausgabe 4/2008


Mercedes-Lkw für Georgiens Raketenwerfer

von Otfried Nassauer

Georgien hat moderne Mehrfachraketenwerfer aus Israel importiert. Sie sind auf schweren Mercedes-Lkw montiert. Mit diesen Raketenwerfern wurde während des Feldzuges gegen Südossetien auch Streumunition verschossen. Die ist umstritten, weil sie unterschiedslos gegen militärische und zivile Ziele wirkt. Auch noch lange nach einem Krieg. Ende 2008 soll ein internationaler Vertrag unterzeichnet werden, der solche Waffen verbietet. Die Bundesregierung sieht sich dabei in einer Vorreiterrolle und hat nun ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird sich ärgern. Er möchte, dass Deutschland bei den Bemühungen um ein internationales Verbot von Streumunition eine „Vorreiterrolle“ spielt. Der Vertragsentwurf ist bereits ausgehandelt soll im Dezember unterschrieben und danach schnell ratifiziert werden. Und nun das: Die georgischen Streitkräfte importieren seit 2007 moderne Mehrfachraketenwerfer, mit denen Streumunition verschossen werden kann. Das meldete Georgien an das UN-Waffenregister. Vier Raketenwerfer wurden 2007 geliefert, weitere 11 wahrscheinlich 2008. Georgiens Verteidigungsministerium musste einräumen, die Raketenwerfer während des Konfliktes mit Südossetien und Russland im August 2008 eingesetzt zu haben. In einem Fall seien Raketen mit Submunition gegen militärische Ziele eingesetzt worden. Weitere Einsätze bestreitet die georgische Regierung, obwohl die Streumunition auch an mindestens ein oder zwei anderen Orten gefunden wurde.

Die schweren Gelände-Lkw, auf denen die Raketenwerfer montiert sind, stammen von Mercedes-Benz. Bilder zeigen sie auf einer militärischen Version des Actros 3341. Sie tragen die Bezeichnung LAR-160 und stammen von Israel Military Industries – kurz IMI. Auf jeden LKW werden zwei Raketencontainer mit je 13 Raketen montiert. In der Version Mk-4, die Georgien erhielt, haben die Raketen eine Reichweite von 45 Kilometern. Jeder Raketensprengkopf enthält 104 Submunitionen. Ein einzelner Raketensprengkopf reicht, um mehr als 31.000 Quadratmeter mit Streumunition abzudecken, eine Salve für mehr als 800.000 Quadratmeter. Die Streumunition, die mit diesen Raketenwerfern verschossen werden kann, hat traurige Berühmtheit erlangt. Israels Armee beschoss den südlichen Libanon 2006 teils flächendeckend damit. Sie wurden zu einer tödlichen Gefahr für die zurückkehrende Zivilbevölkerung. M-85 heißt die Grundversion der Bombletts, die knapp 300 Gramm schwer und mit 44 Gramm Hochleistungssprengstoff (RDX) gefüllt sind. Da der Durchmesser nur 4,2 Zentimeter beträgt, sind sie leicht zu übersehen.

Die Bombletts können mit einem Selbstzerstörungsmechanismus ausgestattet werden, um die Gefahr für Zivilisten durch Blindgänger zu mindern. Weniger als ein Prozent aller Streumunitionen soll dann nach einem Krieg noch eine Gefahr darstellen – so das Argument, das auch die Bundeswehr veranlasste, bei Rheinmetall Artilleriegeschosse mit M85 zu kaufen. Doch die Theorie ist das eine; die Praxis war etwas anderes. Das norwegische Verteidigungsforschungsinstitut fand heraus, dass etwa zehn Prozent dieser Streumunition im Libanon zu Blindgängern wurde. Die Bundeswehr erklärte sich deshalb in Dublin in letzter Minute bereit, auf diesen Munitionstyp zu verzichten. Der Vertragsentwurf verbietet jetzt auch Submunition, die sich angeblich in 99 Prozent aller Fälle selbst zerstört.

Die Lieferungen nach Georgien berühren die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung. Sie will im Dezember zu den ersten Staaten gehören, die den Vertrag über ein Verbot von Streuminen unterzeichnen. Außenminister Steinmeier will ein „unübersehbares Zeichen setzen“ und andere Staaten überzeugen, es Deutschland nachzutun. Auch, wenn Georgien letztlich von Israel beliefert wurde, bleibt Deutschland berührt. Israel produziert keine Mercedes-Lkw. Die müssen beim Hersteller zugekauft werden. Und der ist in Stuttgart zu Hause. Der Export schwerer Actros-Lkw, auch wenn es sich um geländegängige, militärische Versionen handelt, ist meist ohne staatliche Genehmigung möglich. Nur wenn der Importeur in einem Embargoland wie Syrien beheimatet ist, bedarf es manchmal einer Erlaubnis. Jürgen Grässlin, den Sprecher der kritischen Daimler-Aktionäre, ärgert das schon lange: „Bei schweren Lkw und starken Dieselmotoren tut die Bundesregierung oft so, als seien Rüstungsgüter keine Rüstungsgüter, nur weil es auch zivile Verwendungen gibt. Das ist Außenwirtschaftsförderung, aber garantiert keine restriktive Rüstungsexportkontrolle.“


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS