Junge Welt - Komentar
23. Mai 2003


Struck zuck
Zu den Verteidigungspolitischen Richtlinien: Nichts ist unmöglich

von Otfried Nassauer


Mit den Siebenmeilenstiefeln des Riesen marschiert Verteidigungsminister Peter Struck mit der Bundeswehr in die Zukunft. In eine Zukunft als Armee im Einsatz, weltweit und mit einem »weiten Verständnis von Verteidigung«, das die Verhütung von Konflikten und Krisen und die gemeinsame Bewältigung von Krisen sowie die Krisennachsorge umfaßt. »Künftige Einsätze« – so die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien – »lassen sich wegen des umfassenden Ansatzes zeitgemäßer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und ihrer Erfordernisse weder hinsichtlich ihrer Intensität noch geographisch eingrenzen. Der politische Zweck bestimmt Ziel, Ort, Dauer und Art des Einsatzes.« Der kann in der Teilnahme an Friedensmissionen der UNO, aber auch in der »Unterstützung von Bündnispartnern, auch über das Bündnisgebiet hinaus« liegen.

Da liegt der Hund begraben: Will die Bundeswehr nicht einfach die Putztruppe sein, mit der die deutsche Außenpolitik nach militärischen Interventionen der USA beim Aufräumen hilft, dann müßte sie auch verstärkt selbst bei Interventionen mitmachen. Dann aber hieße das: Nichts ist unmöglich – solange der Bundestag zustimmt und die Regierung behauptet, der Einsatz stehe schon irgendwie im Einklang mit dem Völkerrecht. Apropos Zustimmung des Bundestages: Auch die soll künftig einfacher und schneller zu haben sein. Die großen Volksparteien haben sich geeinigt, daß es ein Bundestagsbeteiligungsgesetz geben soll, damit die Bundeswehr auch kurzfristig in den Einsatz rollen kann. Soweit Struck zuck am Hindukusch.

Die Richtlinien enthalten einen weiteren, einen revolutionären Satz: »Die mittelfristige Finanzplanung ist eine verbindliche Grundlage für die Planungen der Bundeswehr.« Bislang fand die Planung der Bundeswehr oft nach dem Prinzip Hoffnung auf mehr Geld in der Zukunft statt. Mehr Geld, für das die Militärs modernste Waffen planen ließen, die aber nie gebaut wurden, weil es nicht mehr Geld gab. Gigantische Überplanungen, jenseits des vorhandenen Haushaltes, soll es künftig nicht mehr geben – Schmal-Hans Eichel schreibt die Speisekarte. Auf der wird – angesichts der Kassenlage des Bundes – eher weniger denn mehr Kaviar stehen. Zugleich den Haushaltsrahmen einzuhalten, die Bundeswehr zu modernisieren, deren Aufgaben erheblich zu erweitern und die Wehrpflicht beizubehalten – das bleibt die Quadratur des Kreises. Denn auch die Auslandseinsätze kosten immer mehr Geld.

 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS)