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11/2002

 

Die Pankisi-Schlucht und die russisch-georgischen Beziehungen

Lili di Puppo

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Seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges 1999 und daraus resultierender Flüchtlingsbewegungen aus Tschetschenien ins georgische Pankisi-Tal hat sich die Instabilität der Region zu einer wichtigen internen und externen Sicherheitsfrage entwickelt. Im Rahmen des Kampfes gegen den Terrorismus wurden in der Pankisi-Schlucht Mitglieder von al-Qaida und sogar Osama bin Laden vermutet. Dies nahmen die USA zum Anlaß, Georgien militärische Hilfe zu bewilligen, um zugleich eine militärische Aktion Rußlands im Pankisi-Tal auszuschließen. Doch die Spannungen zwischen Georgien und Rußland nehmen zu.

 

Die Situation im Pankisi-Tal

Das Pankisi-Tal befindet sich im Nordosten Georgiens an der russisch-georgischen Grenze neben Tschetschenien und Daghestan, ungefähr 180 Kilometer von der georgischen Hauptstadt Tbilissi entfernt. Das Tal hat eine Länge von 34 Kilometern. Die Bevölkerungsgruppe der Kisten ist mehrheitlich im Pankisi-Tal vertreten und gehört zur ethnischen Familie der Wainachen, der auch Tschetschenen und Inguschen angehören. Im 17. Jh begann die Migration der Kisten nach Georgien, die ungefähr bis zur zweiten Hälfte des 19. Jh andauerte. Kunsthandwerk und Viehwirtschaft sichern die Einkommensquellen in der Region. Die Kisten besitzen einen eigenen Dialekt und sind überwiegend Muslime. Obwohl sie ethnische Verwandte der Tschetschenen sind, betrachten sie sich selbst als Georgier und haben nie Sezessionsforderungen geäußert. Sieben Dörfer befinden sich im Pankisi-Tal, die überwiegend von Kisten bewohnt sind: Duisi, Jokolo, Kvemo Omalo, Birkiani, Dzibakhevi, Shua Halatsani und Zemo Halatsani. In den Jahren 1998-1999 haben wahabitische Islamisten Aktivitäten in der Region entwickelt: eine private Koranschule wurde gegründet, eine Moschee errichtet und die islamische humanitäre Hilfsorganisation "Jamaat" wurde aktiv in der Region (1).

Seit dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges 1999 hat die Flucht von etwa 7.000 Flüchtlingen aus Tschetschenien in die Pankisi-Schlucht internationale Aufmerksamkeit auf und Hilfsorganisationen in die Region gelenkt (2). Unter den Flüchtlingen befanden sich viele Kisten, die vor dem Krieg in Tschetschenien (Russische Föderation) gearbeitet hatten und danach gezwungen wurden, in ihre Heimat zurückzukehren. Die Pankisi-Schlucht ist als Transitstrecke für den Drogen- und Waffenhandel und als Zufluchtsort für Kriminelle aus Georgien bekannt geworden. Im August 2000 wurden erstmals zwei Rote-Kreuz-Mitarbeiter in der Schlucht entführt. Auf diese Entführung folgten weitere, z.B. im November 2000 die Entführung von zwei spanischen Geschäftsmännern. Die letzten Opfer von Entführungen waren der orthodoxe Mönch Basil Machitadze und der englische Bankier Peter Shawn; der letzte wurde vor kurzem freigelassen.

 

Die Entwicklung der Kriminalität in der Pankisi-Schlucht

Der Anstieg der Kriminalität im Pankisi-Tal durch den Krieg im benachbarten Tschetschenien wurde 1999 mit tschetschenischen Rebellen unter den Flüchtlingen begründet. In russischen offiziellen Erklärungen wurde die Pankisi-Schlucht als Rückzugsgebiet für die tschetschenischen Kämpfer geschildert. Dieses Gebiet sei eine strategische Position für die Aktivitäten tschetschenischer Terroristen geworden, die über die Unterstützung von internationalen terroristischen Netzwerken verfügten. Auch die Präsenz von radikalen islamistischen Kämpfern sowie von Osama bin Laden im Pankisi-Tal wurde behauptet.

Nach der Unabhängigkeitserklärung Georgiens blieb die Region relativ stabil. Die Kriminalität im Pankisi-Tal ist nicht in erster Linie als Nebenwirkung der Kriege in Tschetschenien und von tschetschenischen Flüchtlingen zu betrachten, da georgische kriminelle Netzwerke in der Region immer aktiv waren und über Verbindungen mit korrupten Polizeioffizieren verfügten. Mit dem ersten Tschetschenienkrieg 1994-1996 entwickelte sich ein Waffenschmuggel durch den Transit sowjetischer militärischer Ausrüstung aus Georgien nach Tschetschenien. Zudem wurde nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion das Pankisi-Tal zur Transitregion für den Drogenhandel, dessen Route aus Afghanistan durch Tadschikistan und Zentralasien bis zum Nordkaukasus und weiter in die Türkei führt. Das Pankisi-Tal ist einer von mehreren Transitwegen in Georgien; die sezessionistischen Regionen Georgiens spielen auch eine wichtige Rolle im Drogenhandel und sind durch das Drogengeschäft miteinander vernetzt (3). Das Pankisi-Tal ist nicht der wichtigste Transitweg; der größere Teil des Drogenhandels betrifft die sezessionistische Region Süd-Ossetien und kommt aus Aserbaidschan. Der autonome Distrikt von Adscharien an der Grenze zur Türkei ist ebenfalls eine wichtige Region für das Drogengeschäft, wie die sezessionistische Region Abchasien. Verbindungen zwischen georgischen Polizeioffizieren und kriminellen Netzwerken im Pankisi-Tal gehen bis zum Beginn der 90er Jahre zurück (4). Die lokale Polizei ist direkt am illegalen Drogengeschäft beteiligt. Diese Verbindungen reichen bis in Regierungskreise; das Innenministerium mit seinen 15.000 Polizisten gilt als das korrupteste in Georgien (5). Es scheint, daß die georgische Regierung mehr von den Entführungen der letzten Jahren wußte, als sie offiziell zugibt. Hinter vielen Entführungen verbergen sich entweder politische oder persönliche Motive und sie wurden wahrscheinlich aus georgischen Regierungskreisen angeordnet (6). Die Beteiligung von georgischen Regierungsmitgliedern an den Entführungen und am Drogenhandel im Pankisi-Tal ist kein Tabuthema für die georgische Öffentlichkeit. Der Minister für Staatssicherheit und der Innenminister wurden im Zusammenhang mit den illegalen Aktivitäten im Pankisi-Tal zum Rücktritt aufgefordert, nachdem der private Fernsehsender Rustavi-2 über eine direkte Beteiligung des Innenministers Targamadses am Drogengeschäft berichtet hatte. Der Versuch der beiden Minister, den Privatsender einzuschüchtern, führte 2001 zu Studentenprotesten.

Mit der Isolierung des Pankisi-Tals, das in den letzten Jahren der Kontrolle der georgischen Regierung entglitt, entwickelten sich Verbindungen zwischen kriminellen Netzwerken der Region und Teilen der georgischen Regierung.

In den nationalen Medien wurde die Kriminalität in der Pankisi-Schlucht oft mit der Präsenz von tschetschenischen Flüchtlingen in Verbindung gebracht. Die Fokussierung auf die Region, die sich zum prominentesten Entführungsgebiet in Georgien entwickelt hat ermöglicht, die Aufmerksamkeit von Kriminalität, Korruption, Drogen- und Waffenhandel in anderen Regionen, wie beispielsweise Süd-Ossetien, abzulenken. Tschetschenische Flüchtlinge werden hierzu als Vorwand benutzt, indem ihnen die Verantwortung für illegale Aktivitäten, wie Entführungen, zugeschrieben wird.

 

Die Mission "Ausrüstung und Bildung"

Nach der Unabhängigkeit scheiterte Georgien an der Reform seiner Armee, die derzeit als die am schlechtesten ausgestattete unter den südkaukasischen Ländern eingeschätzt wird. Das Budget für die georgische Armee für das Jahr 2002 belief sich auf knapp 20 Mio. Dollar. Da die Soldaten monatelang keinen Sold erhielten und die militärische Ausstattung mit den Jahren immer schlechter geworden ist, kam es 2001 zu einer Meuterei innerhalb von Einheiten der Nationalgarde. Obwohl die georgische Armee eine Wehrpflichtsarmee ist, ist die Praxis unter jungen Männern geläufig, sich vom Dienst freizukaufen. Dadurch ist ein Rekrutierungsproblem entstanden, da sich die Soldaten beinahe ausschließlich aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung und den Minderheiten rekrutieren lassen.

Am 11. Februar 2002 gab eine Mitteilung des amerikanischen Botschafters in Georgien, Philip Remler, über mögliche Verbindungen tschetschenischer Kämpfer im Pankisi-Tal mit al-Qaida und die Flucht von al-Qaida-Kämpfern aus Afghanistan in das Pankisi-Tal den Anlaß für amerikanische Militärhilfe an Georgien. Die Bush-Administration verkündete am 28. Februar 2002 eine militärische Hilfe in Höhe von 64 Mio. Dollar für die georgischen Streitkräfte (7). 200 amerikanische Militärberater wurden im Rahmen der Mission "Ausbildung und Rüstung" (8) für sechs Monate nach Georgien mit dem Ziel entsandt, vier Armee-Einheiten aus dem georgischen Verteidigungsministerium, insgesamt etwa 1.500 Soldaten und Offiziere, zu "Elitetruppen" sowie weitere 500 Soldaten zu Grenztruppen auszubilden. Zudem sollte eine Anti-Terror-Struktur im georgischen Verteidigungsministerium in Form eines Zentrums für Krisenmanagement etabliert werden (9).

Die Mission "Ausbildung und Rüstung" ist weniger Teil des Kampfes gegen den Terrorismus, als Teil der Militärkooperation zwischen beiden Ländern, die mit dem Ziel begann, eine Modernisierung der georgischen Armee voranzutreiben und spezielle Einheiten für die Sicherung der Pipelines und Transportkorridore auszubilden. Die "Elitetruppen", die von amerikanischen Militärberatern ausgebildet wurden, werden nicht nur für anti-terroristische Operationen eingesetzt, sondern könnten auch künftig die Sicherung der Pipelines, insbesondere der Baku-Tbilisi-Ceyhan Ölpipeline, gewährleisten. Die Bauarbeiten für die Konstruktion dieser Ölpipeline haben im September angefangen (10).

Die Entsendung von amerikanischen Soldaten nach Georgien löste breite Kritik unter russischen Hardlinern und in der russischen Presse aus. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte jedoch, daß die Präsenz von Amerikanern in Georgien noch "keine Tragödie" sei.

Wegen der moderaten Rolle, die Georgiens Präsidenten Eduard Schewarnadze beim Zusammenbruch der Sowjetunion gegenüber Westeuropa spielte, vor allem aber aus geostrategischen US-Interessen, erhielt er bereits amerikanische Militärhilfe. Im Kontext des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus erwartet die US-Administration von Schewarnadse eine Null-Toleranz-Politik gegenüber "terroristischen Rückzugsgebieten" (11). Entsprechend erbat die georgische Regierung stärkere militärische Unterstützung der USA. Eine russisch-georgische Militäraktion wurde mit der Begründung abgelehnt, sie könnte Konflikte zwischen Kisten, Tschetschenen und Georgiern, die bis jetzt enge Beziehungen gepflegt haben, provozieren.

 

Die russisch-georgischen Beziehungen

Seit dem zweiten Tschetschenienkrieg ist die Instabilität im Pankisi-Tal ein zentraler Konfliktpunkt in den russisch-georgischen Beziehungen (12). Seit dem 11. September 2001 hat die Präsenz von tschetschenischen Rebellen im Pankisi-Tal eine verbale Konfrontation zwischen russischer und georgischer Regierung ausgelöst.

Schon zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges versuchten russische Regierungsmitglieder vergeblich, sich die Unterstützung der georgischen Regierung zu sichern. Im August 1999 verlangte der damalige russische Präsident, Boris Jelzin, vom georgischen Präsidenten, Eduard Schewarnadze, daß er Rußland gestatte, die russischen Militärbasen auf georgischem Territorium für militärische Luftangriffe zu nutzen (13). Nach der Ablehnung Schewarnadzes versuchte die russische Regierung, Druck auf Georgien auszuüben, mit Maßnahmen, die die wirtschaftliche Abhängigkeit Georgiens von Rußland demonstrieren sollten. Die grenzüberschreitende Gasversorgung wurde im Dezember 2000 mehrmals unterbrochen. Rußland führte eine Visumspflicht für georgische Staatsangehörge, mit Ausnahme der separatistischen Regionen Abchasien und Südossetien, ein. Der Visumszwang hatte direkte wirtschaftliche Konsequenzen, da ein großer Teil der georgischen Arbeitskräfte in Rußland beschäftigt ist (14). Die Unterbrechungen der Gasversorgung zeigten, wie sehr Georgien durch seine Schulden belastet und dadurch dem Druck Rußlands ausgesetzt ist (15).

Die russische Regierung beschuldigte die georgische Regierung, den tschetschenischen Widerstand zu unterstützen. Die ersten Kritiken richteten sich 2000 gegen die Präsenz von tschetschenischen Journalisten in Georgien, die aus der georgischen Hauptstadt Tbilissi eigenständige Informationen über den Krieg zu beschaffen versuchten. Die Schließung eines tschetschenischen Informationszentrums in der Hauptstadt Tbilissi wurde gefordert.

Nach dem 11. September 2001 verschärfte sich die Kritik der russischen Regierung. Die georgische Regierung wurde beschuldigt, im Pankisi-Tal nicht nur den tschetschenischen Widerstand sondern auch den internationalen Terrorismus zu unterstützen, indem sie angeblich terroristische Ausbildungslager auf ihrem Territorium dulde. Die georgische Regierung wurde mehrmals dazu aufgefordert, tschetschenische Rebellen, die an der russisch-georgischen Grenze von georgischen Grenzschutztruppen festgenommen wurden, an Moskau auszuliefern.

Der Druck, den Rußland auf die georgische Regierung ausübt, ist als psychologischer und politischer Krieg zu verstehen. Die Bombenanschläge vom letzten Juli auf das Pankisi-Tal sind weniger als ein militärischer Anschlag zu betrachten, als vielmehr als Teil eines psychologischen Krieges. Insgesamt wurden 25 Fälle von Verletzungen des georgischen Luftraums durch russische Militärflugzeuge oder Hubschrauber, die von der russischen Regierung systematisch dementiert wurden, registriert. Die offizielle Kritik an Georgien wurde in den russischen Medien als "antigeorgische Medienkampagne" weitergetragen. Damit wollten russische Regierungsmitglieder das Bild verbreiten, daß Georgien gegen die russischen Interessen spiele und damit Rußland berechtigt sei, sich für eine militärische Intervention in der Pankisi-Schlucht zu entscheiden, um der "terroristischen Gefahr" in Tschetschenien selbst Herr zu werden. Georgien wird als ein Zerfallsstaat dargestellt, der seine Probleme nicht selbst lösen und die Lage im Pankisi-Tal nicht kontrollieren kann. Zudem versucht die russische Regierung, die georgische Regierung in den Augen des Westens zu diskreditieren. Der russische Außenminister Igor Ivanov sprach im Februar 2002 von Georgien als "Mini-Afghanistan" und von der Pankisi-Schlucht als dem Ort, an dem al-Qaida-Kämpfer nach dem Afghanistankrieg Zuflucht gefunden hätten.

Am 11. September 2002 stellte der russische Präsident Wladimir Putin in Sochi der georgischen Regierung ein Ultimatum. Diese wurde darin zu einem entschiedenen Vorgehen gegen die tschetschenischen Rebellen in der Pankisi-Schlucht aufgefordert, sonst drohte Rußland mit einer militärischen Aktion. Während eines Treffens zwischen dem russischen und dem georgischen Präsidenten in Sochi am 6. Oktober beschlossen diese eine gemeinsame russisch-georgische Grenzschutzpatrouille. Außerdem wurden fünf von insgesamt 13 tschetschenischen Verdächtigen, die sich in Haft in Georgien befinden, nach Moskau ausgeliefert.

Mit der Darstellung der Pankisi-Schlucht als Rückzugsgebiet für die tschetschenischen Kämpfer verfolgt die russische Regierung zwei Ziele. Erstens wird die georgische Regierung mit ihrer angeblichen Unterstützung der tschetschenischen Rebellen für das bisherige Scheitern der russischen "Anti-Terror-Operation" in Tschetschenien verantwortlich gemacht. Zweitens beabsichtigt die russische Regierung eine innenpolitische Destabilisierung Georgiens und wünscht sich den Rücktritt des georgischen Präsidenten Eduard Schewarnadze (16).

Mit dem Beginn der Bauarbeiten im September dieses Jahres, sollte die drei Billionen Dollar schwere Baku-Tbilisi-Ceyhan Pipeline voraussichtlich 2005 funktionsfähig sein. Dadurch würde Georgien seine Abhängigkeit in der Energieversorgung von Rußland reduzieren und Rußland würde dann ein wichtiges Druckmittel verlieren. Vor diesem Hintergrund liegt es im Interesse Rußlands, mit der Pankisi-Frage die Destabilisierung in Georgien weiter zu fördern, um die Bauarbeiten zu verlangsamen und somit dem Interesse der USA entgegenzuwirken (17).

Die russischen Behauptungen zur Nutzung der Pankisi-Schlucht durch tschetschenische Rebellen als strategische Rückzugsposition, entspricht nicht der Realität. Die Pankisi-Schlucht liegt mehrere Dutzend Kilometer südlich der Grenze und das gebirgige Gelände dazwischen würde zudem auch im Sommer wichtige Truppenbewegungen schwierig machen (18). Damit wäre eine Militäraktion Rußlands fraglich. Die Kriminalität im Pankisi-Tal hat keinen Einfluß auf den Krieg in Tschetschenien, sondern ist als direkte Kriegsfolge zu sehen. Dieses Problem würde sich mit Ende des Krieges selbst lösen. Die Kriminalität in der Pankisi-Schlucht kann nicht mit einer militärischen Aktion beseitigt werden, sondern eher durch eine interne Polizeioperation. Am 25. August 2002, startete die georgische Regierung eine "anti-kriminelle Operation" in die Pankisi Schlucht. Etwa 1.000 Bewaffnete des Innenministers und des Ministers für Staatssicherheit wurden in das Gebiet entsandt, Die Operation wurde darüber hinaus von 1.500 Soldaten des Verteidigungsministeriums unterstützt. Bei der Operation wurden vermeintliche Kriminelle festgenommen, dennoch wurde sie sehr unterschiedlich bewertet. Es stellt sich die Frage, ob die unterbezahlten georgischen Polizisten des Innenministeriums tatsächlich effektiv gegen Kriminalität und illegale Aktivitäten in der Pankisi-Schlucht, die für viele Beteiligte Einkommensquellen sichern, vorgehen werden. Nicht der Terrorismus, sondern die Korruption in Armee und Polizei stellt die größte Gefahr für Georgien und die ganze Region dar. Es ist aber fraglich, ob die USA gegen Korruption vorgehen wollen.

 

Die Konsequenzen der Geiselnahme in Moskau für Georgien

Seit dem Ultimatum von Wladimir Putin im September 2002 versuchte der georgische Präsident, Eduard Schewarnadze, mit der Auslieferung von fünf tschetschenischen Verdächtigen an Moskau, die Spannung mit Rußland zu mildern. Doch die Auslieferung führte zu Protesten von Tschetschenen in der Hauptstadt Tbilisi, die erklärten, daß sie sich jetzt in Georgien unsicher fühlten.

Mehrere russische Politiker haben versucht, die Geiselnahme der tschetschenischen Entführungs-Gruppe von Mowsar Barajev im Moskauer Theater vom Oktober 2002 mit der Frage der Pankisi-Schlucht zu verbinden, indem sie behaupteten, daß sich Barajev in der Pankisi-Schlucht aufgehalten habe (19). Bis vor kurzem befand sich jedoch angeblich der Feldkommandeur Ruslan Gelayev in der Pankisi Schlucht, der als Rivale Barajev´s bekannt ist, was gegen die Wahrscheinlichkeit von Barajevs Präsenz sprechen würde. Schon vor der Geiselnahme in Moskau befürworteten russische Generäle eine militärische Operation in Georgien. Jetzt sucht die russische Regierung nach weiteren Zielen ihrer "Anti-Terror-Operation" gegen die tschetschenischen Rebellen. Nach der Geiselnahme beauftragte der russische Präsident Wladimir Putin den selben Generalstab, der für den brutalen Krieg in Tschetschenien verantwortlich ist, Pläne für weitere militärische Einsätze im Hinblick auf neue Anti-Terror-Operationen zu überprüfen. Der russiche Verteidigungsminister Igor Ivanov kündigte an, daß das russische Militär, das bereits in Tschetschenien mehr Macht erlangt hat, ab jetzt Angriffe gegen Terroristen außerhalb der russischen Grenzen durchführen kann (20). Wie die USA versucht Rußland, mögliche Angriffe außehalb seiner Grenzen zu "legitimieren", wie z.B. Bombenanschläge auf die tschetschenischen Rückzugspositionen in Georgien. Damit ist nicht nur die Pankisi-Schlucht gemeint, sondern auch die Kodori-Schlucht in Abchasien, das letzte abchasische Gebiet unter georgischer Kontrolle. Dadurch erhöht sich der Druck auf Georgien, tschetschenische Rebellen auszuliefern und die Pankisi Schlucht unter Kontrolle zu bringen. Aserbaidschan hat bereits ein tschetschenisches Zentrum in der Hauptstadt Baku geschlossen und die Türkei hat vor kurzem einen tschetschenischen "Terroristen" an Moskau ausgeliefert.

 

 

Lili di Puppo studiert Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin und war als studentische Mitarbeiterin beim BITS tätig.

 

 

Anmerkungen:

(1) Devdariani/Hancilovà: Georgia´s Pankisi Gorge: Russian, U.S. and European Connections, Centre for European Policy Studies, CEPS Policy Brief No. 23, June 2002, S.4.

(2) Der UNHCR hat am 31. Dezember 2000 die Zahl von 7.061 Flüchtlingen angegeben. Nach den letzten Registrierungen leben zur Zeit 3.700 Flüchtlinge in der Pankisi-Schlucht (www.civil.ge).

(3) Silverman, Jeffrey: Pankisi Gorge kidnappings hint at chaos in Georgian government, EurasiaNet Eurasia Insight, 29 January 2002.

(4) Devdariani, Jaba/Hancilovà, Blanka: Georgia´s Pankisi Gorge: Russian, U.S. and European Connections, Centre for European Policy Studies, CEPS Policy Brief No. 23, June 2002, S.3.

(5) Das Innenministerium kontrolliert 15.000 Polizisten, 7.000 Grenzsoldaten und 6.500 Soldaten der inneren Sicherheit Truppen, während das Verteidigungsministerium über etwa 19.300 Soldaten verfügt. Siehe: Devdariani, Jaba/Hancilovà, Blanka: Georgia´s Pankisi Gorge: Russian, U.S. and European Connections, Centre for European Policy Studies, CEPS Policy Brief No. 23, June 2002, S.4-5

(6) Nach der Entführung vom Bankier Peter Shawn, der EU-Projekte führte, und dem Mörder im Dezember 2001 eines Mitglieders der Delegation der Europäischen Kommission in Georgien, warnte die Europäische Union, daß sie ihre finanzielle Hilfe für Georgien suspendieren würden. Der Bankier Peter Shawn wurde am 6. November befreit. Die georgische Polizei hat die Freilassung als Erfolg bezeichnet, dennoch ist der Verdacht groß, daß hinter dieser Entführung Offiziellen im Innenministerium gestanden haben und daß die Freilassung als eine Inszenierung zu verstehen ist. Siehe: Antelava, Natalia: Georgia: Held to Ransom over Kidnapping, Transition Week in Review, 1 - 7 October 2002

(7) Aussagen über die Präsenz von al-Qaida Kämpfern im Pankisi-Tal sind weder von amerikanischer und russischer Seite, noch aus Georgien bestätigt worden.

(8) Train & Equip Programm.

(9) Schmidt, Jürgen: Krieg gegen den Terrorismus im Südkaukasus ? Die USA entsenden Militärberater nach Georgien, SWP-Brennpunkte, Stiftung Wissenschaft und Politik, 22 März 2002.

(10) Die Debatten über die Konstruktion der Baku-Tbilisi-Ceyhan Pipeline dauerten 8 Jahren, da ihr finanzieller Nutzen umstritten war. Diese Pipeline hat jedoch eine strategische Bedeutung für die USA, da sie es ermöglicht, die südkaukasischen Staaten Aserbaidschan und Georgien mit den NATO-Mitgliedern Türkei und damit mit dem Westen zu verbinden. Der Beginn der Bauarbeiten wurde endlich am 18. September 2002 von den aserbaidschanischen, georgischen und türkischen Präsidenten und dem amerikanischen Energiesekretär in Baku gefeiert.

(11) Zu dieser Frage sagt Zeyno Baran vom Center for International and Strategic Studies: "The United States also needs to begin openly expressing to President Shevarnadze that if he wants the same level of U.S. attention and assistance to continue, he can no longer tolerate criminal groups in Georgia. Respecting his historic role and in the name of stability, friends of Georgia have, for several years, remained silent on the issues of internal crime and corruption. But the criminalization of the state has reached such levels that it is directly challenging the independence and sovereignty Georgians have struggled for in the last years.", in: Baran, Zeyno: Georgian-Russian Tension on the Rise, Georgia Update - Center for International and Strategic Studies, 21 August 2002.

(12) Seit der Erklärung der Unabhängigkeit Georgiens 1991 sind die Beziehungen zwischen Georgien und Rußland immer gespannt geworden. Kurz nach der Erklärung seiner Unabhängigkeit beschuldigte Georgien Rußland, seine Staatlichkeit und Souveränität durch die Unterstützung der separatistischen Bewegungen in Abchasien und Südossetien zu schwächen. Rußland spielte dennoch eine Vermittlungsrolle in beiden Konflikten, da Georgien aufgrund seiner inneren politischen Instabilität nicht in der Lage war, die Konflikte zu lösen. 1993 trat Georgien der GUS bei und war Mitglied des GUS-Taschkenter Vertrags von 1993 bis 1999.

(13) Die Bestimmungen der Schlussakte des KSE-Vertrags (Treaty on Conventional Forces), die im November 1999 während des OSZE-Gipfels in Istanbul unterschrieben wurde, sind von der russischen Seite noch nicht vollständig erfüllt worden. Die Bestimmungen sahen die Auflösung der russischen Militärbasen in Gudauta und Vaziani zum 1. Juli 2000 und weitere Verhandlungen über den Abzug der militärischen Verbände aus Batumi und Akhalkalaki für 2000 vor. Dennoch ist bis jetzt nur der Abzug aus Vaziani erfolgt, während der Abzug aus Gudauta in Abchasien von den abchasischen Autoritäten nicht gewünscht wird und Rußland ein neues Datum mit Georgien auszuhandeln versucht.

(14) 500.000 Georgier arbeiten in Russland. Der Verdienst dieser Arbeitskräfte wird auf 1.5 Milliarden U.S.-Dollar im Jahr geschätzt (Ivanov, M.: "Visa Threat Spurs Georgia into Action", Institute for War and Peace Reporting, 1 Dezember 2000).

(15) Der russische Gaskonzern ITERA, der für diese Unterbrechungen verantwortlich ist, drohte vor kurzem das Monopol über die Gasversorgung Georgiens zu erlangen und als Gegenleistung Georgien von seinen Schulden zu befreien, wie es vorher in Armenien geschehen ist. Aufgrund der Kritiken der politischen Opposition hat jedoch der georgische Präsident Schewarnadse das Projekt ablehnen müssen. (Siehe: Devdariani, Jaba: Georgia Reacts to Russian Pressure, Perspective, Vol. XIII/No. 1, September-October 2002.)

(16) Blank, Stephen: The Russian Bourbons: Civil-Military Relations and Pressure on Georgia, Central Asia - Caucasus Analyst, 9 October 2002.

(17) Hancilovà, Blanka: Russia´s Grab for Pankisi: Domestic Diversion or Oil Politics?, Central Asia - Caucasus Analyst, 25 September 2002.

(18) S.o.

(19) Kandelaki, Giorgi: Moscow hostage crisis underscores risks of Georgia´s Chechen dilemma, EurasiaNet Eurasia Insight, 24 October 2002.

(20) Saradzhyan, Simon: Military Gets OK to Strike Abroad, The Moscow Times, 10 November 2002.